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14. August 2017

Elisa schießt von Tisch zu Tisch

Die 17-Jährige galt als großes Biathlon-Talent in Italien – und musste wegen Verletzungen und Krankheiten ein neues Leben beginnen.

Diesen Kampf vergisst sie nie. „Ein brutaler Kampf“, sagt sie. Diese Zeit hat sie geprägt. „Eine brutale Zeit“, sagt sie.

Auch wenn „brutal“ das Lieblingswort der 17-jährigen Elisa Kuenz ist, so trifft es ihre letzte Station in der Sportschule Mals doch ziemlich genau. Sie war eine der talentiertesten Biathletinnen ihrer Altersgruppe, bei nationalen Wettkämpfen in Italien lief und schoss sie sich immer unter die ersten Zehn, meist sogar aufs Treppchen. Und plötzlich, von heute auf morgen, trafen andere besser, liefen schneller. Andere, die sie zuvor in steter Regelmäßigkeit besiegt hatte.

„Ich fühlte mich schlapp, schluckte Tabletten, weil ich in den Landeskader wollte. Ich wollte alles – nur nicht aufgeben. Auch wenn ich mich im Ziel immer erbrach“, erzählt sie – und man merkt, dass sie bei jedem Satz die Situation von damals noch einmal durchleidet. Dann kam ein Muskelriss, eine verschobene Wirbelsäule – und die notwendige Untersuchung beim Arzt. Mit dem niederschmetternden Ergebnis: Pfeiffersches Drüsenfieber.

Es war das Ende einer Karriere, die noch nicht einmal richtig begonnen hatte. Mit sieben hatte das kleine Mädchen aus Gand im Martelltal zum ersten Mal Biathlon geübt. Mit 15, als sie so gut war, um mit Italiens Aushängeschild Dorothea Wierer trainieren zu können, musste sie mit dem Leistungssport aufhören.

„Das war brutal“, sagt sie – und ihre braunen Augen starren trotz des wunderschönen Ausblicks auf der Hotelterrasse in Naturns ins Leere. Es fällt ihr heute noch schwer zu verstehen, dass es für sie besser war, dem Drill des Spitzensports zu entfliehen. Auch wenn sie sagt: „Das Pfeiffersche Drüsenfieber hast du immer irgendwo im Blut. Damit kannst du nicht bis zur Erschöpfung Sport treiben.“

Elisa Kuenz redet nicht oft darüber. Und wahrscheinlich auch nicht gerne. Sie ist dabei, sich neu zu orientieren. Im Lindenhof lässt sie sich zur Servicefachkraft ausbilden, es macht ihr Spaß, sagt sie – und lacht viel. Nette Kollegen, freundlicher Chef und jede Menge Action mit den Gästen. Alles bestens. Aber. „Wissen Sie, Biathlon war mein Leben“, sagt die junge Frau. „Ich habe nichts anderes gekannt. Ich war fixiert auf diesen Hochleistungssport.“

Ihre Freundinnen waren Biathletinnen, ihre Freunde Biathleten. Sie hat mit ihnen gelernt und trainiert. Vielleicht mehr trainiert als gelernt. Morgens, mittags, abends. Kraftraum, Schießstand, Waldlauf, Skipiste – und einmal in der Woche musste bei 3.000 Meter Höhenluft am Stilfser Joch gelaufen und geschossen werden. Bis zum geht nicht mehr. Abends schaute sie Videos, analysierte Fehler mit den Trainern. Sie rauchte nicht, sie verzichtete auf Alkohol, auf Discotheken. Schlaf war wichtig für die Karriere. Auch wenn sie oft davon träumte, am Schießstand zu stehen und keine Scheibe zu treffen. „Ich war immer brutal nervös. Aber das musst du dir mal vorstellen. Du kommst zum Schießstand und der Trainer ruft dir zu: Nur wenn du die Null schießt, hast du noch eine Chance. Da zittern die Hände.“

Heute schießt sie im Meransaal von Tisch zu Tisch, serviert Wein und fünf Gänge. Sie raucht auch in stillen Momenten, sie trinkt hin und wieder Alkohol, sie macht auch schon mal die Nacht zum Tage. Sie ist 17. Ein normales Mädchen. Und keine Leistungssportlerin mehr. Es ist ein freieres Leben, ihr neues.

„Im Winter, wenn die anderen vom Biathlon erzählen, bin ich schon ziemlich traurig“, sagt Elisa Kuenz. Biathlon schaut sie nicht mehr. „Das kann ich nicht. Das ist brutal.“

Vielleicht wird sie mal Trainerin. Im Skilanglauf. Denn so ganz ohne Sport geht es nicht. „Meine Oma war die erste Jägerin in Südtirol“, sagt sie plötzlich und lacht endlich. „Ich will auch Jägerin werden. Bestimmt.“

Dann läuft sie wieder. Und schießt. Wie beim Biathlon.

 

DIE AUSBILDUNG – SCHULE UND HOTEL

Die Ausbildung zur Servicefachkraft dauert zwei Jahre – und wird begleitet mit je 10 Wochen Blockunterricht im Jahr in der Landesberufsfachschule Savoy in Meran. Im ersten Jahr werden im Savoy Grundkenntnisse und Service-Techniken gelehrt sowie das fachgerechte Tischdecken. Im zweiten Jahr stehen neben Beratung und Betreuung der Gäste Weinservice oder Mixen von Cocktails auf dem Lehrplan. Das weiterführende dritte Lernprogramm bietet Flambieren, Tranchieren sowie die Organisation eines Banketts an.

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