Aktiv
Lifestyle
20. Juni 2019

Meine Stilfser Joch-Geschichten

Von Dopingproben, von Frauen und von Strassensperren

Der Lindenhof-Chef Joachim Nischler fährt jeden Dienstag mit seinen Gästen um die Wette zum Stilfser Joch. Nach 30 Jahren zieht er Bilanz und merkt: „Ich verliere ja immer öfters…”

stilfserjochEs sind 24,2 Kilometer. Es gibt 48 Kehren. Und der Höhenunterschied beträgt 1.958 Höhenmeter. 491 Mal ist Joachim Nischler diese Strecke von Prad hinauf zum Stilfser Joch mit dem Rennrad gefahren. Als er jünger war (auch das war er mal) in einer Zeit von einer Stunde und 30 Minuten. „Diese Zeit wollte ich immer unterbieten”, sagt er. Aber: er wollte schon viel im Leben – heute ist er froh, wenn er unter zwei Stunden bleibt. So viele Gutscheine wie in der vergangenen Saison hat er noch nie verloren. „50 Prozent meiner Gäste haben mich geschlagen”, sagt er. Warum er immer noch daran glaubt, dass er schneller wird, sagt er nicht. Nächstes Jahr wird er 50, bis dahin will er 500 Mal von Prad nach oben geradelt sein. Drei Geschichten fallen ihm besonders schnell ein, wenn er vom Stilfser Joch erzählt.

Joachim und die Polizei
„Es war irgendwann 2008. Ich weiß noch, dass wir damals eine richtig schnelle Truppe hatten. Wir waren früh oben, keiner hatte länger als zwei Stunden gebraucht. Und weil ich wusste, dass mein Radfahrkumpel Sigi Weißenhorn noch nachkommen wollte, ließen wir es uns oben am Stilfser Joch richtig gut gehen. Der Wein hat uns geschmeckt, auch der Schnaps. Und als Sigi dann angerufen hat, er sei auf der anderen Seite und ob wir nicht einfach Richtung Schweiz abfahren und ihn da treffen könnten, fiel die Entscheidung schnell: Wir fahren ausnahmsweise mal über den Umbrailpass zurück.

IMG-20190618-WA0008’Brauchen wir da keinen Pass?’, fragte einer leise, aber wir prosteten uns lieber laut zu. Und es kam, wie es kommen musste. ,Ihren Pass, bitte’, stoppte uns ein italienischer Grenzpolizist. Mit reichlich flüssigem Selbstvertrauen im Blut erklärte ich ihm, wer ich bin. Hotelier. Und der Joachim. Und dass ich jede Woche mit Gästen aufs Stilfser Joch radle. Und …. Und dann nahm er mich mit ins Grenzhäuschen. Ich musste eine Urinprobe abgeben. Meine Güte, ich konnte es nicht glauben. Und das Theater, das diese Polizisten abzogen: Die Urinprobe habe klar ergeben, ich sei gedopt, sagten sie mir. Ich wurde immer wütender, weshalb ich auch nicht erkannte, dass man in diesem Grenzhäuschen sicher nicht in einer Minute eine Urinprobe auswerten konnte. Sie würden mir jetzt Blut abnehmen, erklärten die Italiener und stießen mich in einen kleinen, dunklen Raum, in dem eine riesige überdimensionale Plastikspritze auf dem Tisch lag. Und plötzlich hörte ich das Gejohle von außen. Mein Kumpel Sigi hatte die anderen Gäste und Radler eingeweiht: Es war die Revanche für einen Streich, den ich ihm gespielt hatte. Und weil er drei Freunde bei der italienischen Grenzpolizei hatte, stand ich in der Unterhose da und zielte zitternd in ein Uringläschen…”

Joachim und die Radfahrerin
„Es ist ja so ein bisschen wie bei einem richtigen Rennen. Im Vorfeld sondiert man das Feld. Wer könnte einem gefährlich werden? Wer macht den fittesten Eindruck? Wer fährt sich am professionellsten ein? Zwei junge Männer fielen mir auf, gegen die wird es schwer, dachte ich mir. Und eine junge Frau fiel mir auf, aber eher wegen ihrer guten Figur. Hoffentlich packt sie es nach oben, mit ihr würde ich gerne anstoßen… Was Machos halt so einfällt in einer solchen Situation. Profi, wie ich bin, konzentrierte ich mich aber zunächstauf das Sportliche – und hängte mich bei den zwei Jungs ans Hinterrad. Die darfst du nicht fahren lassen, überlegte ich – und schon waren sie weg. Null Chance. Das kostet zwei Gutscheine. Ich war wütend auf mich – und schaute nach hinten. Und mir ging’s wieder besser. Da kam nämlich diese gutaussehende Frau. Das ist doch nett. Mit der fährst du jetzt gemütlich aufs Stilfser Joch, die anderen sind weit zurück. Es wird doch noch ein schöner Tag. Zwölf Minuten später war der schöne Tag zu Ende. Die Dame trat im Lärchenwald oberhalb von Trafoi kurz in die Pedale, und ich japste nach Luft. Ich habe mir geschworen,  dass ich künftig vorher die Namen der Teilnehmer google. Denn dann hätte ich gemerkt, dass Laila Orenos damals schon zwei Mal hintereinander den Ötztaler Radmarathon gewonnen hatte.“

Joachim und die Straßensperre
„Ich muss mich nachträglich noch einmal bei allen Gästen bedanken, die an meinemstilfserjoch2 46. Geburtstag mit mir aufs Stilfser Joch gefahren sind. Sie haben mich alle geschlagen – und keiner wollte einen Gutschein. Und das kam so: Ich hatte ein paar Freunde eingeladen, aber alle sagten mir ab. Keine Zeit, schon anders geplant, krank und so weiter und so fort. Etwas enttäuscht habe ich mein übliches Programm gestartet, die acht Gäste hatte ich gut im Griff – bis zur Kehre 46. Plötzlich hörten wir auf Höhe des Hotels unseres Skistars Gustav Thöni Ziehharmonika-Musik – und vor uns tauchte eine Straßensperre auf. Ein Band, auf dem stand: ,Alles Gute zum 46. Geburtstag’. Wir mussten alle absteigen, und all die Freunde, die vorher abgesagt hatten, verteilten
Speck, Käse, Brot und Schnaps. Und sie nahmen mir nach der Zwangspause das Fahrrad ab. Ich bekam ein Nachkriegsmodell, während jeder meiner Gäste auf ein E-Bike umsteigen durfte. Aber weil ich Geburtstag hatte, haben sie auf mich freundlicherweise an jedem Gasthaus gewartet. ,Am Weißen Knott’ wurde nachgeschenkt, am ,Hotel Franzenshöhe’. Und natürlich feierten wir auch ganz oben am Stilfser Joch weiter. Zurück ging es Gottseidank im Lindenhof-Bus – und der Geburtstag war gelaufen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Sie
auch interessieren

Ähnliche Beiträge zu diesem Thema