Spa & Wellness
06. Juni 2016

Psycho in der Wellnessabteilung

WIE STEFANIA PFEIFER MIT RÜCKENSCHMERZEN UMGEHT:

Die Lindenhof-Mitarbeiterin hat Physiotherapeuten unterrichtet und ihnen beigebracht: „Du musst den Patienten verstehen, ehe du ihn behandelst“

Der Gast hat Rückenschmerzen. Schon seit langem. Da und dort und hier zwickt es. Und auch ins Bein fährt es ihm ab und zu. Manchmal kann er nicht mehr gerade stehen. Willkommen bei Steffi. „Was machst Du beruflich?“, fragt sie. „Wie bist Du bisher behandelt worden?“, fragt sie. „Hattest Du in letzter Zeit irgendwelche anderen Probleme?“ fragt sie. „Kannst Du nachts ruhig schlafen?“, fragt sie. Hallo. Was will die denn? Warum macht sie nix? Sie ist doch Physiotherapeutin. Sie muss doch nur an die richtigen Stellen drücken. Einfach drücken, kneten, massieren. Das haben die anderen zu Hause auch so gemacht. Okay, es hat nichts geholfen. Aber hilft es was, wenn sie weiß, dass ich schlecht geschlafen habe? Bis vor kurzem war Stefania Pfeifer Dozentin an der Fachhochschule für Physiotherapie in Bozen. Sie hat den Nachwuchs einer Branche ausgebildet, die boomt. 180 Bewerber gibt es jedes Jahr in Bozen, nur 20 werden aufgenommen. Was die Frau aus Naturns ihren Schülern gelehrt hat, wendet sie im Lindenhof selbst an. „Du musst den Patienten verstehen, ehe du ihn behandelst“, hat sie gepredigt. Ganzheitlich denken ist die Modefloskel in der Medizin schlechthin. Doch was die Vinschgauerin, die alle nur Steffi nennen, von den Gurus dieser Welt unterscheidet, ist die menschliche Herangehensweise. Sie interessiert sich für ihren Patienten, sie hört ihm zu. Erst dann beginnt sie zu drücken, kneten, massieren. „Meistens kommen die Menschen mit einem Rezept vom Arzt. Da steht Rückenschmerzen“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Es gibt hunderte von Ursachen für Rückenschmerzen. Und wenn ich wirklich was dagegen tun will, muss ich wissen, was der Auslöser für die Schmerzen ist.“ Nur dann, so erzählt sie, könne sie den richtigen Nerv reizen und damit den Input setzen, der die Selbstheilungskräfte im Körper anregt. Den „inneren Arzt“, nennen die Physiotherapeuten das. „Hattest Du mal eine Blinddarmoperation?“, fragt sie und schickt für den Gast, der ihr gerade noch einmal erklären wollte, dass er eigentlich wegen seines Rückens hier ist, hinterher, dass oft schlecht verheilte Narben die Schmerzen auslösen. „Du musst Dir das wie einen Stromkreislauf vorstellen. Wenn der irgendwo unterbrochen wird, geht auch das Licht aus.“ Stefania Pfeifer will helfen. Immer. Auch Gästen, die nur eine Woche im Urlaub hier sind. Ein bisschen Handauflegen und gute Heimreise ist ihr zu wenig. Vermutlich liegt es an ihrer Biographie, dass sie anders ist als andere Physiotherapeuten. Sie war Grundschullehrerin in Naturns, hörte mit 37 auf, als ihr drittes Kind kam – und durfte nach 18 Jahren Unterricht dank den damaligen Spielregeln des italienischen Staates in Rente. Und weil sie sich schon immer für Physiotherapie interessiert hatte, begann sie ein neues Leben – auf der Schulbank und nicht mehr hinter dem Pult. „Hat bei Dir noch niemand festgestellt, dass Du durch eine falsche Beckenstellung unterschiedliche Belastungen aushalten musst?“, fragt sie – und erklärt, dass es leider keine solche Waagen gibt, wie sie sie jetzt als Beweis brauchen würde. Wenn man beide Hälften des gequälten Urlaubers auf die Waage stellen würde, sei sie sich sicher, dass eine Hälfte durch diese Fehlstellung des Beckens vier Kilo mehr schleppen müsse. Vier Kilo mehr – und das jeden Tag, zig Jahre lang. „Das musst Du Dir mal vorstellen.“ Sie glaubt, dass man das korrigieren kann. Und damit auch die Schmerzen lindern. Nicht in acht Tagen Urlaub, aber der Anfang wird in Naturns gemacht. Sie lehrt ein paar nützliche sportliche Übungen, drückt am Becken, knetet, massiert – und der Gast hört sich über Dinge reden, die er sonst nur sich selbst vor dem Spiegel anvertraut. Das sei normal, sagt Frau Pfeifer, im Bindegewebe speichere das vegetatives Nervensystem alles, was der Mensch so erlebt – und bei manchen müsse das raus, je tiefer sie drücke. Keine Sorge, sie sei verschwiegen. „Es gab schon Patientinnen, die haben plötzlich zu weinen angefangen.“ Der Patient könnte weinen, weil er links vier Kilo mehr hat als rechts. Aber das wird sich dank Steffi ändern, wobei die Frage unbeantwortet bleibt, ob es nach dem Dessertbuffet im Lindenhof rechts auch vier mehr werden. Ein Fall für den Psychologen. „Mich hat neulich mal ein Gast gefragt, warum ich eigentlich nicht Psychologie studiert habe“, sagt die Physiotherapeutin plötzlich. Es wundert nicht mehr, dass Steffi immer ausgebucht ist. Bei dieser Physio-Psychotherapeutin liegt jeder richtig. Mit Rückenschmerzen oder vier Kilo zu viel. Auf beiden Seiten.

SteffiStefania Pircher-Pfeifer ist seit 43 Jahren mit Peter Pfeifer verheiratet, lebt in Naturns und hat drei Söhne. Einer wohnt inzwischen in Bayern, einer in Wien – und nur der Dritte ist im Vinschgau geblieben. Die ehemalige Grundschullehrerin, die zuletzt an der Fachhochschule in Bozen Physiotherapeuten ausbildete, ist 65 Jahre alt und arbeitet seit 16 Jahren als freie Mitarbeiterin im Lindenhof. Ihre Hobbies sind lesen und tanzen – und die vier Enkelkinder.

1 Kommentar

  1. Avatar Daniela K. sagt:

    Steffi du bisch die BESTE. Bisch nit lei a guate Physotherapeutin sondern a a „Freundin“. Du hosch mir schun sou viel kolfn. Nit lei ba meine Rücknschmerzn,sondern a phsychisch. Durch deine Gespräche isch nochher oft ols viel leichter gongen. Steffi i hoff du mochsch nou looooong weiter. Danke fir ols wos du fir mir schun toun hosch. Lg Daniela K.

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