Lifestyle
18. Oktober 2016

Logbuch 1 an Logbuch 2: das Handy ist weg

Ein Hotelbetrieb funktioniert anders als es viele Bosse und Angestellte von ihrer Firma gewohnt sind, weil der Kunde 24 Stunden im Haus ist. “Wir stehen ständig im Schaufenster”, sagt der Lindenhof-Chef.

Es soll schon vorgekommen sein, dass der Barmann oben im ersten Stock die letzten Gläser aus der Spülmaschine holte, als der Frühstückskoch fünf Meter nebenan die ersten Eier in Pfanne schlug. Schichtwechsel in Naturns. “Einen schönen Arbeitstag”, wünscht Stefan. “Schönen Feierabend”, sagt Benny.

Der ganz normale Wahnsinn im Viersterne S-Hotel Lindenhof in Naturns. Die letzten Gäste sind gerade nach der schwierigen Wahl mit vielen Versuchen zwischen 222 Whiskeysorten ins Bett gegangen, die ersten werden bald am Frühstücksbuffet frische Brötchen, perfekt zubereitete Müsli und 8 unterschiedliche Marmeladesorten vor dem Frühsport erwarten. “Wir sind wirklich 24 Stunden für unsere Kunden da”, sagt der Hotelchef Joachim Nischler, denn selbst, wenn der Barmann mal schon früher auf seine angeschlagene Kundschaft verzichten muss, ist über die “9” am Telefon ständig jemand zu erreichen. Es gibt keine Minute, in der der Gast ohne Betreuung ist. Fullservice, nennt sich das – und was so einen Hotelbetrieb vor allem von anderen Unternehmen unterscheidet, erklärt der 47-jährige Joachim Nischler so: “Meine Familie und die 55 Mitarbeiter stehen ständig im Schaufenster. Weil bei uns der Kunde 24 Stunden im Haus ist.”

Diese besondere Herausforderung hat nur ein Hotel. Denn die Basis für eine erfolgreiche Saison muss bei einer Rundum-Kundenbetreuung gelegt werden, bevor die ersten Gäste eintreffen. “Die Mitarbeiter müssen geschult sein und unsere Philosophie verinnerlicht haben. Wir können während der Saison, in der alle Sechs-Tage-Wochen im Schichtbetrieb haben, nicht so einfach Angestellte neu unterrichten oder sie austauschen”, sagt der Hotelchef, der Geschäftsführer, Finanzvorstand, Personalchef, Einkäufer, Visionär in einer Person ist. “Und vergessen Sie den Tellerträger nicht”, sagt der Mann, der abends auch noch im Speisesaal seine Kellner unterstützt.

Joachim Nischler, seit fast zwanzig Jahren der erste Mann im Lindenhof, ist ein Profi im Gastgewerbe. Er weiß, wie ein Hotel funktioniert. Und vor allem, wie es nicht  funktionieren kann. Er lässt seine Mitarbeiter vor der Saison schulen, um ihnen für die nächsten Monate die Philosophie des Hauses einzuimpfen. Er schreibt selbst Kursbücher für alle Abteilungen, in denen die Angestellten immer wieder nachlesen können, wie der Wein dekantiert wird, wie die Handtücher im Bad hängen sollen, wie die Gäste empfangen und wie sie verabschiedet werden. Und er hat spezielle Bausteine in das übliche unternehmerische Managementsystem integriert.

Zum Beispiel das so genannte Logbuch, das zusätzlich zum Computerprogramm genutzt wird.  Vier dieser schwarzen Din-A5-Bücher liegen an der Rezeption – und Hausmeister, Restaurantleiter, Koch und Gouvernante sehen darin jederzeit, was für Gästewünsche eingegangen sind und welche noch erledigt werden müssen. Helmut Stieger erfährt daraus, welche Gäste von anderen Dolce Vita-Hotels zum Essen kommen und wer zu wem sitzen will. Andreas Pircher kann sich durch sein Logbuch auf Sonderwünsche einstellen und ob er bei irgendeinem Gast Rücksicht wegen allergischer Reaktionen nehmen muss. Und Anja Scheer sieht, in welchem Zimmer andere Decken oder Kopfkissen benötigt werden. “So sollte auch im 24-Stunden-Geschäft gewährleistet sein, dass die Kundenwünsche nicht untergehen”, sagt Joachim Nischler, dem der Stress seiner Mitarbeiter durchaus bewusst ist. “Bei uns kann man halt nur am Saisonende den Stecker ziehen.”

Vor allem die Hausmeister, die mindestens jede Stunde einmal in ihrem Logbuch nachschauen müssen, können so auf dem Laufenden gehalten werden, falls sie bei einer Arbeit telefonisch nicht erreichbar sind. “An Rad Nummer zehn quitscht die Bremse.” “In Zimmer 408 kann die Heizung nicht abgedreht werden.” “An der Vespa 2 leuchtet die Öllampe.”

Die meisten Einträge haben einen Erledigt-Haken, wenn der Hotelchef morgens oder abends in die Bücher schaut. “Ich sehe darin, was alles passiert ist und wer was wie erledigt hat”, sagt Joachim Nischler, der an drei Tagen in der Woche mit den Hausmeistern aufgrund dieses Logbuchs eine Hotelbesichtigung macht. Auch bei den Zimmermädchen lässt er sich jede Woche einmal sehen und begutachtet mit der Gouvernante Anja Scheer zusammen auf jeder Etage ihre Arbeit. “Da wir ansonsten nur noch einmal in der Woche eine Abteilungsleitersitzung haben, ist Präsenz wichtig. Der Chef muss nicht nur für die Gäste, sondern auch für die Mitarbeiter immer ansprechbar sein.”

Das 24-Stunden-Hotel.

In Naturns gehen die Lichter an. Der Chef sitzt schon wieder im Büro, schaut die Tagesliste der Rezeption an. Wer reist ab? Wer reist an? Sind die Abrechnungen okay? Um sieben Uhr kommt die Rezeptionistin. Und Chiara findet gleich zwei rot unterstrichene Einträge. Der eine Hinweis steht im Wellness-Logbuch. “Heute Morgen gleich in der Beauty nachfragen, Zimmer 313 vermisst sein Iphone, ist ziemlich aufgeregt und glaubt, es dort liegen gelassen zu haben. Bei der Suche am Abend nicht gefunden.” Und die andere steht auf ihrem Tagesplan ganz oben: “Zimmer 313 hat sein Handy gesucht. Ich habe ihn dann im Zimmer angerufen – und es hat in seiner Jackentasche im Schrank geklingelt. Also Handy wieder da. Gruß Stefan.”

Wie gut, dass es verschiedene Logbücher gibt.

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