Lifestyle
26. September 2017

„Vielleicht bedienen Sie mich ja in fünf Jahren“

Der 30-jährige Rumäne war Deutschlehrer, jetzt arbeitet er als Kellner im Lindenhof – und hat seine eigenen Ansichten über das Leben, über die Menschen, über das Geld.

Irgendwann hat er es aufgegeben. „Ich heiße Oottila, nicht Attila.“ Ottila. „Nein, nicht mit dem deutschen O, es klingt für Sie vielleicht nur wie ein O. Oottila.“ Ottila.

„Lassen Sie es bitte. Bleiben wir bei Attila. Wir in Siebenbürgen sprechen das ungarisch aus. Das hat in Südtirol noch keiner kapiert“, sagt er.

Es ist manchmal nicht einfach, Attila Tamas zu verstehen. Das liegt sicher nicht an mangelnden deutschen Sprachkenntnissen. Als studierter Deutschlehrer hat er in Südtirol keinerlei Probleme. Und oft ist er besser zu verstehen als manch eingefleischter Vinschgauer in Joachim Nischlers Mitarbeiterteam. Es liegt eher daran, dass er nicht immer sagen will, was er denkt – und sich lieber in Lebensweisheiten flüchtet. „Du musst Ziele haben. Wenn du alles bekommst, was du dir wünschst, wirst du das Leben irgendwann nicht mehr schätzen“, sagt der 32-jährige Mann, der vor sechs Jahren in Siebenbürgen ausgezogen war, um neue Herausforderungen zu finden. Das, gibt er zu, ist ein Grund gewesen. Der andere aber war, dass der Staat Rumänien immer mehr bei der arbeitenden Bevölkerung abkassiert hat und das Gehalt keinen Lebensstandard mehr sicherte.

Nach fünf Jahren Südtirol rechnet er ab: 50 Teller sind zu Bruch gegangen, ein paar Tassen im Müll gelandet, und vier, fünf volle Gläser haben den Besteller nicht erreicht. Und er hat sich verändert. Nicht nur, dass er vom Deutschlehrer zum Kellner learning by doing geworden ist, er hat auch eine andere Beziehung zu Geld bekommen. Weil er lange Zeit von seiner Familie getrennt ist, weil er auch bei den Menschen hierzulande sieht, dass Profitstreben nicht immer zum Glück führt. „Bei mir steht die Familie an erster Stelle, dann kommt die Gesundheit, erst danach denke ich an das Geld. Ich will mich auf keinen Fall kaputt arbeiten, um dann das ganze Geld dafür zu verwenden, wieder gesund zu werden.“

Attila (16)Als er damals nach Südtirol kam, wollte ihn nur eine Pizzeria – als Kellner. „Ich habe gedacht, wenn das andere können, kann ich es auch“, sagt Attila Tamas unter dem Gesichtspunkt: Hauptsache weg aus Rumänien. Er ist Kellner geblieben, bis heute. Seit 2013 arbeitet er im Viersterne S-Hotel Lindenhof in Naturns, und er gibt zu, anfangs überwältigt gewesen zu sein. „Ich habe nur gestaunt“, sagt er. Über die Gäste, über die Menüs, über die Kollegen. „Lampe“ haben sie ihn genannt, weil er oft feuerrot wurde, wenn er mit den Urlaubern sprechen musste. Inzwischen hat er mehr als gelernt („Ich habe immer Alex zugeschaut“), kennt die Stammgäste per Namen, vergisst (fast) nichts mehr – und ist in Konversationen schon so geübt wie die alten Hasen. „Ob Kellner oder Deutschlehrer – du musst immer dein Bestes geben“, sagt er.

Das ist nicht einfach, weil auch Kellner nur Menschen – und nicht jeden Tag gleich gut gelaunt sind. „Ich glaube, dass jeder Mensch eine Maske hat, die er hin und wieder mal aufsetzen muss.“ Wenn er sie aufsetzt, merkt man es ihm nicht an. Oder stört es ihn vielleicht doch, wenn er sieht, wie viel Geld andere haben, während seine Familie vor 20 Jahren den letzten Urlaub gemacht hat? „Ganz bestimmt nicht“, sagt Attila Tamas und lacht. „Wissen Sie: im Rad ist man mal oben und mal unten. Und vielleicht bedienen Sie mich ja in fünf Jahren hier im Lindenhof.“

Zur Person:

Attila Tamas ist vor 32 Jahren in Siebenbürgen geboren, hat dort studiert und unterrichtete in der Schule Jugendliche in deutsch. Inzwischen spricht er auch noch italienisch – und arbeitet als Kellner im Hotel Lindenhof in Naturns. Wenn er Urlaub hat, gibt es für ihn allerdings nur ein Ziel: Rumänien!

Seine Hobbies: 

Attila mag Kinder – auch wenn ihm Jung-Gast Rubi beim Kartenspiel keine Chance lässt.

Attila mag Bücher – der Kellner ist ein viel belesener Mann,

 

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