Lifestyle
23. Mai 2017

„Was ist ein Wasser das sprudelt?“

Zu Jahresbeginn werden Mitarbeiter tagelang mit Rollenspielen und Drehbüchern geschult. Wer während der Saison einsteigt, bekommt einen Crashkurs an einem halben Tag mit 49 Seiten Richtlinien. „Mir hat der Kopf geschwirrt“, sagt der Kellner Tomas Suranovsky.

Der Slowake Tomas Suranovsky ist ein gebildeter Mensch. Er hat in seiner Heimat die Hotelfachschule besucht, ein weiterführendes Studium abgeschlossen, in den USA und Großbritannien als Kellner gearbeitet und die 49 Seiten Richtlinien des Dolce Vita-Hotels fast auswendig gelernt. Und doch war er an seinem fünften Abend im Lindenhof in Naturns mit seinem Latein am Ende. „Was ist dann ein Wasser, das sprudelt?“, fragte er verzweifelt den Kollegen Jan Karel nach der Bestellung an Tisch 20.

Es gibt Wünsche und vor allem Dialekte, auf die kann nicht einmal Hotelchef Joachim Nischler seine ausländischen Mitarbeiter vorbereiten. Obwohl er in seinem Grundkurs fast alles aufführt, was einem Kellner im Service so passieren kann. Selbst während der Hochsaison nimmt er sich mindestens einen halben Tag Zeit für einen Neuen, versucht ihm die Philosophie des Lindenhofs zu infizieren („Der Gast muss sich von der ersten Minute an wie zu Hause und doch im Urlaub fühlen“), geht mit ihm kurz die Drehbücher durch („Wir schauen den Gästen in die Augen und erkennen, wann ihnen etwas weniger gefällt und sprechen Sie darauf an“) und erklärt ihm Auftreten und Dienstkleidung bis zum Windsor-Knoten an der Krawatte. „Mir hat der Kopf geschwirrt“, sagt der 25-jährige Tomas, obwohl er schon in der Slowakei Lektion eins gelernt hat: dass der Gast im Hotel immer recht hat.

In Naturns ist es eine Schulung, die in der Branche kaum üblich ist. Viele Hoteliers gehen davon aus, dass ein Kellner kellnern muss. Und es kann, wenn er es gelernt hat. Joachim Nischler dagegen sagt: „Teller tragen kann jeder Kellner. Aber den Gästen so begegnen wie es Art des Hauses ist, muss geübt werden.“ Deshalb lässt er üben: Small- Talk mit dem Gast, Reklamationen entgegennehmen, Wünsche zu erfüllen, Kollegialität untereinander bei der Arbeit am Abend, Telefongespräche führen und und und. Mitarbeiter, meint der Chef, seien die Botschafter des Hotels.

„Es ist absolut professionell hier. Das liebe ich“, sagt Tomas Suranovsky, der seine Heimat Lewoca, eine Stadt mit 18.000 Einwohnern in der Slowakei, auch deshalb verlassen hat, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern. In den USA und Großbritannien sein Englisch, in Südtirol sein Deutsch. Obwohl das gerade hier nicht so einfach ist. Viele Gäste aus der Schweiz, Österreich und Deutschland sprechen Dialekt, die Südtiroler Kollegen ohnehin ihre eigene Sprache oder das, was sie dafür halten. „Da stürzt viel auf einen ein“, sagt der Slowake, der zwar die Richtlinien des Hauses verinnerlicht hat („Ich behandle die Gäste so, wie ich auch gerne behandelt werden würde“), aber an anderen Barrieren verzweifelt. Eine Menüfolge auswendig zu lernen, die sowohl aus südtirolerischen als auch deutschen oder oft sogar französischen Begriffen besteht, ist auch für einen wie Tomas Suranovsky nicht einfach. „Ich muss in unserer Besprechung oft fragen: was ist ein Blumenkohl? Oder eine Kraftbrühe vom Jungbullen?“ Er lernt dazu, sagt er. Schritt für Schritt. Inzwischen erklärt er neuen Gästen schon, wo vor 15 Jahren im Hotel die Rezeption war, denn auch das gehört zur Philosophie des Hotelchefs. Ein Mitarbeiter sollte immer Auskunft geben können – oder zumindest wissen, wen er fragen kann. Und das Wasser, das sprudelt, stellt Tomas jetzt auch mit einem Lächeln auf den Tisch. „Bitte – Mineralwasser mit Kohlensäure.“

Mitarbeitersuche in Südtirol

Die Mitarbeitersuche wird für die Hotels immer schwieriger. In Südtirol suchen sich junge Menschen lieber Arbeit in größeren Städten mit Industrie, da Schicht- und Wochenendarbeit die meisten abschreckt. So versuchen die Hoteliers über Agenturen Kolleginnen und Kollegen im Osten zu finden, oft ein mühsames Unterfangen, weil man die Leute erst kennenlernt, wenn sie schon angereist sind. „Wir werden bald Schweizer Verhältnisse haben”, sagt der Lindenhof-Hotelchef Joachim Nischler. In der Schweiz arbeiten in der Gastronomie schon lange keine Schweizer mehr.

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