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02. Mai 2017

Südtirol schmecken – 2. der Wein

Schon ohne Alkohol ist man im Weingut Unterortl berauscht: Von der Hofstelle auf 700 Meter Höhe blickt man auf die schroffen Felsen des hier mündenden Schnalstals, auf vier  Hektar Weinanbau mit einem Höhenunterschied von 250 Metern und auf das Vinschgauer Tal. Gigantisch. “Ja, wir wissen schon, dass wir ein bisschen privilegiert leben”, sagt Gisela Aurich, die in der frühen Morgenstunde beim ersten Klingeln vom ersten Stock ihres Holzhauses aus dem Fenster schaut. Ihr Mann Martin ist schon in der Brennerei, der Winzer probiert mal wieder was aus. Vor allem bei feinen Fruchtbränden experimentiert er gerne. “Spielerei”, heißt ein Dessertwein aus dem Hause Castel Juval, das die Aurichs 1994 vom Juval-Schlossherrn Reinhold Messner gepachtet haben. Und aufgebaut. Doch nicht nur wegen seiner kreativen und handwerklichen Talente ist der Berliner Martin Aurich der beste Gesprächspartner zum Thema Weine aus Südtirol.

Waren Südtiroler Weine schon immer etwas Besonderes, Herr Aurich?

“Südtiroler Weine sind schon wegen des idealen Klimas begünstigt, auch sorgen die unterschiedlichen Höhenlagen dafür, dass bei uns verschiedene Sorten optimal reifen. Allerdings hat erst ein Umdenken bei den Winzern so Mitte der 80er Jahre zu dem Qualitätswein gefunden, den wir heute anbieten. Früher war bei der Verarbeitung der Trauben das Motto: möglichst viel, möglichst schnell, möglichst günstig.

Ich habe damals als gelernter Getränketechnologe im Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg gearbeitet und die Entwicklung aus nächster Nähe mitbekommen. Vor allem die traditionellen Schweizer Kunden wollten den Vernatschwein  immer weniger, ein Umdenken der neuen Winzergeneration wurde notwendig. In der Laimburg haben wir den Wandel mit Versuchen, Rat und Tat begleitet. Wir haben  Schulungen für Kellermeister, Fachpersonal der Kellereibetriebe und für die direktvermarktenden Winzer angeboten. Und wir haben ihren Weg zum Qualitätswein begleitet.

Der Vorteil hier in Südtirol ist auch, dass wir Winzer und Kellermeister einen kollegialen Austausch pflegen. Das heißt: der Austausch an Erfahrungen und Ideen untereinander ist viel größer als in anderen Gebieten. Früher gab es in Südtirol 70 Prozent Vernatsch, seit den neunziger Jahren ist das Bild komplett anders. Es gibt Weißburgunder, Riesling, Gewürztraminer, Sauvignon, Chardonnay, Pinot Grigio, Silvaner, Veltiner, Blauburgunder, Merlot und und und… Für jede Rebsorte haben wir die richtige Höhenlage und damit das richtige Kleinklima.

Schauen Sie sich mal hier auf unserem Weingut Unterortl um. Wir liegen am Ausgang des Schnalstals, haben nachts kühle Luft, tagsüber keine extreme Hitze und trotzdem ist es warm genug. Dadurch zieht sich die Vegetationsperiode in die Länge, was den Trauben gut tut.

Mit der Zeit haben wir auch gelernt, mit den höheren Säuregehalten in unserer Juval-Lage richtig umzugehen. Ich habe zuerst mit biologischem Säureabbau gearbeitet, wodurch der Wein aber seinen Lagencharakter verloren hat. Inzwischen ändere ich nichts mehr und nutze die traubeneigenen Mineralstoffe, die sich mit der hohen Säure verbinden. So ist ein Riesling entstanden, der uns einige Preise eingebracht hat und die Erkenntnis, dass wir in Südtirol nur wenig in den Lauf der Natur eingreifen müssen.”  

Lesen Sie hier das ‚Interview mit Frau Schweizer vom Schupferhof zum Südtiroler Apfel. Ist der Apfel aus dem Vinschgau wirklich Kult, oder ein reiner Touristen-Wahn?

Die weiteren Teile unserer Serie „Südtirol schmecken“:

1. DER APFEL

3. DIE VINSCHGER PAARLEN

4. DER SPECK

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