Kulinarik
10. März 2017

Teamwork in der Familie

Auch Verwandte müssen professionell zusammenarbeiten – wenn sie gemeinsam ein Hotel führen. Eine Beratungsagentur hilft jetzt bei den Visionen für die nächste Lindenhof-Generation.

Fast jeden Donnerstag während ihres Studiums in Florenz bekommt Emma Nischler den Anruf von Vater oder Mutter.  „Könntest Du am Wochenende einspringen? Im Service wird es eng.“ Für die 20-jährige Kunststudentin ist das schon lange keine Frage mehr. „Ich hab das mehr oder weniger eingeplant“, sagt sie lachend – und selbstverständlich schiebt sie auch in den Ferien schon mal die eine oder andere Doppelschicht: bis 18 Uhr im Tagescafe, von 18.30 Uhr an im Speisesaal..

In einem Familienhotel packt die ganze Familie an – das ist das Credo der Nischlers. Es ist für groß und klein, jung und alt eine pure Selbstverständlichkeit. Sie kennen es nicht anders, seit frühester Kindheit. Das war bei Joachim so, der letztlich relativ früh mit 27 von seinem Vater Werner die Führung des Hotels übernommen hat – und das ist bei seinen Töchtern Chiara und Emma nicht anders. „Wir wurden alle nicht gezwungen, aber irgendwie hat es dazu gehört, und es hat auch immer Spaß gemacht“, sagt Joachim Nischler, der das Familienunternehmen mit weiteren 44 Festangestellten leitet. Bei ihm gibt es nicht nur Mitarbeitersitzungen und Abteilungsleiterkonferenzen, sondern auch Familienbesprechungen. „Wir gehen es auch im engsten Verwandtenkreis professionell an, sonst funktioniert es nicht. Man muss in der Situation noch mehr als andere trennen können zwischen Job und Privatleben.“

Seit dieser Saison beschäftigt Nischler sogar eine Beratungsagentur, die die Wünsche und Vorstellungen der einzelnen Familienmitglieder besser steuert. Mit ihr werden Visionen entwickelt – auch was die Übergabe des Hotels in die nächste Generation betrifft. Chiara Nischler kann es sich vorstellen, irgendwann neben ihrem Vater und später mal auch ohne ihn das Management zu übernehmen. „Am liebsten wäre es mir aber, Emma würde auch mit einsteigen“, sagt die 22-Jährige, die inzwischen fest an der Rezeption eingeplant ist und abends die Gäste im Speisesaal begrüßt. Zudem studiert sie begleitend am Wochenende Wirtschaft in Innsbruck.

„Visionen“ steht noch auf der Aktenmappe, die Kohl & Partner nach den ersten Familiensitzungen für die Nischlers zusammengestellt hat. „Bisher konnte mal jeder seine Ideen äußern, nach der Saison müssen wir das alles zusammenführen“, sagt Joachim Nischler, der – obwohl erst 47 – seine Nachfolge gerne geregelt sehe, bevor er weitere Millionen in Umbau und Erweiterung investiert. Schon bei den Neubauplänen haben er und Lorella Longhitano ihre beiden Töchter wesentlich mit einbezogen. „Da kann uns auch Emma mit ihrem künstlerischen Talent sehr helfen – und wahrscheinlich wäre es auch gut, wenn wir nachher sowohl künstlerische Kreativität als auch wirtschaftliches Verständnis an der Spitze hätten.“ Wann „Visionen“ durchgestrichen und auf der Aktenmappe „Pläne“ stehen wird, entscheiden die Wirtschaftsstudentin Chiara und die Kunststudentin Emma Nischler. „Sie können sich absolut frei entscheiden“, sagt die Mutter Lorella Longhitano, die selbst bis abends um halb elf im Hotel arbeitet und dort in der Küche als Verantwortliche die Bestellungen des Service mit den Köchen disponiert. „Es wäre halt schon schön, wenn der Lindenhof auch in der nächsten Generation in Familienhand bleiben würde“, sagt Seniorchef Werner Nischler, der sich eigentlich mit 76 in dieser Saison mehr zurückziehen wollte, aber noch immer ab und zu am Abend im Speisesaal zusammen mit seiner Frau Doris aushelfen muss.

Emma lacht noch über Visionen und Wünsche – und geht ans Handy. „Klar, wann soll ich heute Abend da sein?“

 

DSC_9766Joachim Nischler ist seit 22 Jahren der Hotelchef im Lindenhof, der Hans-Dampfin-allen-Gassen.  Er macht Personalpolitik, die Finanzen, den Einkauf, unterhält die Gäste, fährt mit ihnen um die Wette Fahrrad aufs Stilfser Joch und trägt abends auch noch die schmutzigen Teller aus dem Speisesaal. Jeder Gast kennt ihn. „Grüß Gott, ich bin der Joachim.“

 

 

 

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Chiara  Nischler hat nach Praktika in anderen Hotels gleich zwei Jobs im
Lindenhof: Sie arbeitet an der Rezeption, und sie begrüßt fast jeden Abend die Gäste im Speisesaal. Neuerdings besteigt sie auch bei „Hauswanderungen“ die höchsten Gipfel Südtirols. „Ich sollte mehr lernen“, erkennt die 22-jährige Wirtschaftsstudentin – meist nach einer Prüfung.

 

 

 

9903Lorella Longhitano kommt aus Mailand, lebt aber schon seit 23 Jahren in Naturns. Die Mutter von Emma und Chiara Nischler ist die rechte Hand von Hotelchef Joachim Nischler und herrscht abends im sogenannten „Pass“ in der Küche. „Die Koordination zwischen Küche und Service muss stimmen“, sagt sie – und steuert alles.

 

 

 

DSC_9895Emma Nischler singt wie Whitney Houston – oder zumindest Lieder von Whitney Houston. Immer wieder lädt sie der Musikverein zu öffentlichen Auftritten ein. Außerdem malt die 20-jährige Kunststudentin aus Leidenschaft. Ob sie auch aus Leidenschaft im Hotel Bier zapft, sagt sie nicht. Trotzdem hilft sie immer wieder im Service aus. „Ausbeutung“, sagt sie lachend.

 

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