Lifestyle
19. Dezember 2015

Unsere Weihnachtsgeschichte von Helmut – Heiligabend im Martelltal

Erinnern Sie sich zu Hause auch gerne an frühere Weihnachten? Für einen von unseren Mitarbeitern jedenfalls war das in seiner Jugend ein ganz anderes Fest als es die Kinder heutzutage gewohnt sind. Helmut Stieger, 52 Jahre alt und Restaurantleiter bei uns im Lindenhof, erzählt uns seine Weihnachtsgeschichte.

Das ganz besondere Geschenk

Wir waren neun Kinder, oben auf dem Pühlahof im Martelltal, damals ziemlich außerhalb der Zivilisation. Eine Straße oder einen Weg ins Dorf gab es nicht – und so stapften wir auch nur an Schultagen die 300 Höhenmeter hinunter ins Martell Dorf. Und nachher wieder hinauf. Schließlich mussten wir gleich nach den Hausarbeiten in den Stall, um die Kühe zu versorgen. Nur so ein paar Wochen vor Weihnachten nahmen wir uns die Zeit, auch mal mit leuchtenden Augen in die Schaufenster der Läden zu schauen – und ich entdeckte Skischuhe aus Plastik.

 „Die wünsch ich mir zu Weihnachten“, sagte ich als acht-jähriger Knirps zu meiner Mutter und schleppte sie mit vor das Schuhgeschäft.

„21.000 Lire? Das kann sich das Christkind nicht leisten“, sagte meine Mutter, für die umgerechnet 21 Mark viel Geld bei neun Kindern waren – doch weil ich nicht nachgab, erklärte sie mir, ich hätte ja noch ein bisschen Zeit und könnte mir bei anderen Bauern in der Gegend noch was dazu verdienen. Obwohl ich schon bei uns zu Hause ziemlich eingespannt war, wanderte ich von Hof zu Hof, um noch ein paar Lire zu verdienen. Kurz vor Heiligabend gab ich meiner Mutter 16.000 Lire – und ich weiß noch, wie sie – stolz auf mich – lächelte und sagte: Mal sehen, ob das Christkind die restlichen 5.000 Lire drauflegen kann.
Es waren vielleicht die aufregendsten Weihnachten für mich. Weil ich hoffte, betete und bettelte. Würde mir das Christkind meine ersten Skischuhe bringen, obwohl ich nur 16.000 Lire hatte?

Hat das Christkind fünf Mark?

Ich weiß noch, wie ich mit meinem Vater – wie jedes Jahr am Heiligabend – morgens durch den hohen Schnee im Wald gestapft war, um den schönsten Christbaum auszusuchen. Nur: ich hatte dieses Mal keinen Blick für die Bäume, ich war in Gedanken nur bei den Skischuhen aus Plastik. Mein Vater suchte ihn schließlich selbst aus, sägte ihn ab, und wir schleppten ihn zurück auf den Hof.
Wie jedes Jahr.
Meine Mutter schmückte ihn, natürlich klassisch. Mit Strohsternen, Lametta, Kugeln, Kerzen und Feuerspritzern. Meine Geschwister hatten wie immer eine Freude daran, nur ich konnte, viel schlimmer als sonst, die Bescherung nicht erwarten.
Ich erinnere mich, dass an jedem Heiligabend um 19 Uhr das Glöcklein läutete – und erst dann durften wir in die Stube. Und ich erinnere mich, dass ich – wahrscheinlich an diesen Weihnachten zum ersten und einzigen Mal – der Erste in der Stube war.
Skischuhe aus Plastik, die rund 21 Mark kosteten und für die ich selbst 16 Mark beigesteuert hatte, waren für mich das schönste Geschenk, das ich je an Weihnachten bekommen habe. Jedenfalls ist es das Geschenk, an das ich mich heute noch erinnere. Und ich bin sicher, wenn das heute Kinder lesen, die vielleicht beleidigt sind, wenn sie statt des iphone 6S nur das iphone 6 bekommen, erklären sie den alten Mann für ein bisschen durchgeknallt.

DSC_1237Krapfn mit Keschtn-Fülle

Ich möchte die Zeit trotzdem nicht missen. Die ganz kleinen Geschenke, die Nudelsuppe mit hausgeräucherter Wurst und danach die hausgemachte Krapfen mit Keschtn-Fülle und Mohn. Die Spiele unterm Tannenbaum, ganz ohne elektrische oder digitale Hilfe, und den Tee mit den Keksen, die es vor dem Bettgehen noch gab. Wir waren glücklich, auch wenn wir nur Geschenke für fünf Euro unterm Tannenbaum hatten, und auch, obwohl wir am anderen Tag wieder ganz normal im Stall mithelfen mussten.
Ich habe damals an diesem besagten ersten Weihnachtsfeiertag natürlich mit Skischuhen das Vieh gefüttert. Und wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich meine ersten Skischuhe über Weihnachten nicht mal im Bett ausgezogen habe. Hoffentlich lesen das jetzt meine Kinder nicht.

Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten – und denken Sie daran: auch kleine Dinge können Freude bereiten. Manchmal mehr als die ganz teuren. Ich bin überzeugt, dass das auch 2016 noch gilt.

4 Kommentare

  1. Avatar Petermeier Konrad sagt:

    Vielen Dank für Ihre Weihnachtsgeschichte. Hat mich gerührt, weil man seine eigene Kindheit vor Augen hat und weil Ihre Gefühle rüberkommen. Bitte schreiben Sie weiter. Schöne Feiertage bis Ostern.

  2. Avatar Jürgen Hubert sagt:

    Sehr schöne Geschichte, ich kann mich gut in diese Weihnachtssituation hinein versetzen. So war es früher, ehrlicher und einfacher. Warum ist es heute anders, es liegt an der Zeit und vielleicht sind wir Erwachsenen auch nicht ganz unschuldig an der Konsumwelt die wir unseren Kindern zeigen, geben und ermöglichen……
    Wir wünschen frohe Weihnachten und freuen uns schon auf unser Wiedersehen im April

  3. Avatar Udo Jabilonsky sagt:

    Liebe Familie Nischler, lieber Helmut,

    danke für diese wunderbare Geschichte zur Weihnachtszeit.
    Ich war wirklich gerührt, in Erinnerung auch an meine Kindheit, in der es noch nicht alles im Überschwang gab.

    Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches und gesundes neues Jahr.

    Viele Grüße

  4. Avatar Dora + Emil Wymann sagt:

    Lieber Helmut
    Was für eine wunderbare und besinnliche Weihnachtsgeschichte in Zeiten einer Konsum- und Wegwerfgesellschaft! Es widerspiegelt die Wertschätzung eines Geschenkes, an das man als Kind – auch unter grossen Entbehrungen – noch etwas beitragen musste und an das man sich heute auch nach vielen Jahren noch genau erinnert. Frohe Festtage an Sie und Ihre Familie, sowie an die Familien Nischler sen. und jun. Auf Wiedersehen im Lindenhof 2016!

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