Pure Luxury
10. Juli 2022

Yosef Zobeidi ist in Armenien geboren. Das Land kennt er kaum. Dafür andere: nach der Flucht geht es über den Iran, Kuwait und Jordanien in die Schweiz, nach Schweden, Island und Norwegen bis nach Deutschland. Jetzt ist der 44-Jährige im Lindenhof in Naturns gelandet.

Nachtportier Yosef – eine Odyssee um die Welt

Nur 30 Minuten seiner Arbeitszeit von 22.15 Uhr bis sieben Uhr in der Früh sitzt er auf dem Stuhl an der Rezeption. Ansonsten ist er in Bewegung, die ganze Nacht unterwegs. „Ich habe eine Verantwortung. Und ich muss für Ruhe und Sicherheit der Lindenhof-Gäste sorgen“, sagt der freundliche Herr Yosef, der schon viele Berufe hatte und nach einem Jahr im Service jetzt der erste Nachtportier des Lindenhof Luxury & Spa DolceVita Resorts ist. Yosef Zobeidi lächelt fast während des gesamten Gesprächs. Er spricht von großer Dankbarkeit gegenüber der Hotelfamilie Nischler. Er spricht davon, dass „man im Leben immer das Beste“ geben muss. Er spricht wie einer, der aus allen Menschen gute Menschen machen will. Er denkt nur positiv. Im eigenen Kopf. Über andere.

Und das bei dieser Leidensgeschichte.

 

Yosef Zobeidi kennt sein Heimatland kaum. In eine weiße Decke eingewickelt flüchten seine Eltern und sein Bruder mit dem Einjährigen aus Armenien, wo heute noch der Krieg zwischen Aserbaidschanern und urbanisierten Armeniern tobt. Doch im Iran wird für ihn und seine Familie alles noch schlechter. Der erste Golfkrieg beginnt 1980. In dem tyrannischen Staat wird sein Bruder mit 16 Jahren hingerichtet.

 

Die Flucht geht weiter. Nach Kuwait, nach Jordanien.

 

Wie viele Familien träumt auch die von Yosef Zobeidi, die inzwischen durch zwei kleine Mädchen erweitert worden ist, von Europa. Mit einem Schiff unter philippinischer Flagge geht es nach Bari in Italien, weiter in die Schweiz. Er lässt sich zum Schweißer ausbilden, ein Augenunfall bei der Arbeit bringt ihm neue Probleme. Yosef erzählt in der ihm eigenen „Alles-ist-gut“-Art und lächelt. „Ich habe dann Herrn Kessler kennengelernt, der ein Mövenpick-Restaurant leitete. Und weil er in seiner Familie eine ähnliche Fluchtgeschichte kannte, gab er mir eine Chance. Er bildete mich in sechs Monaten zum Servicemitarbeiter aus.“

 

Das Handy klingelt. Ein Gast weiß nicht, wie das Licht in seinem Zimmer ausgeht. Yosef springt.

 

Er weiß, wie das Licht ausgeht. Und er weiß nachher auch noch, wie seine Geschichte weitergeht.

In der Schweiz drohen Probleme mit der Aufenthaltserlaubnis. Er kennt eine Freundin, die eine Heimat in Schweden gefunden hat. Bei Volvo jobbt er als Monteur, bis ihm das Land mit Abschiebung droht. Er geht nach Norwegen, spielt den Reiseführer in Island. „Wenn man die Sprache nicht spricht, ist es am Anfang in jedem Land schwer“, sagt er. Er hat überall gelernt, spricht jetzt norwegisch, schwedisch, englisch, natürlich durch seine Eltern armenisch – und auch deutsch. Zuletzt war er in Hannover als Krankenpfleger in der Klinik, später in einem Privathaushalt. Yosef erzählt, das sei „ein sehr, sehr harter Beruf“, der ihn an seine Grenzen gebracht habe.

 

Er hört ein Geräusch. „Das ist ein Vogel“, sagt er. Gerade nachts höre sich jedes Geräusch laut und böse an, aber er könne das sehr gut einordnen. Er erzählt von einem Sicherheitskurs, den er mitgemacht habe. Und der ihm bei der Arbeit des Nachtportiers in Naturns helfe. Naturns die Station Nummer … wie viel in seinem Leben? Er hat nicht die Zeit nachzuzählen. Ein Rundgang steht an. Die Pflicht ruft. Und sie steht für einen wie Yosef Zobeidi immer an erster Stelle. „Wissen Sie, das Hotel feiert 50 Jahre Bestehen. Und wir Mitarbeiter müssen mit dafür sorgen, dass sich die Gäste auch in den nächsten Jahren wie zu Hause fühlen. Das sind wir Herrn Nischler schuldig.“

 

Es klingt fast surreal, wenn man weiß, was dieser Mann schon alles mitgemacht hat.

 

Er merkt die Verwunderung seinem Gegenüber an. Und erzählt schnell noch von seinem Vater, der inzwischen in Straßburg lebt. Er habe ihm zwei Dinge mit auf den Weg gegeben. „Dass das Leben ein Kampf ist, aber nur mit sich. Und dass man nie gegen jemanden kämpfen soll.“ Und: „Du musst gegenüber jedem Menschen respektvoll und dankbar sein.“

 

Yosef Zobeidi hält sich an die Ratschläge seines Vaters.

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