Lifestyle
29. Januar 2021

Wandern in den Bergen, erholen in der Natur – selbst bei jüngeren Menschen ist das angesagt wie noch nie zuvor.

Ätsch, wir leben hier

Ein Landstrich wie Südtirol bietet all das, was Touristen suchen: steile Gipfelwege, ausgebaute Radstrecken, 315 Sonnentage, Palmen unten und Schnee oben. Deshalb kommen immer mehr, deshalb werden die Hotels immer größer. Südtirol ist im Trend. Bei den einen für drei Wochen, bei den anderen für drei Tage. Aber: es gibt auch Menschen, die hier aufgewachsen sind, das ganze Jahr über hier wohnen. Zwischen den Bergen. In der Natur. Wir haben sie besucht und gefragt: Ist das Leben in Südtirol wirklich ein Traum?

Amerika? Zeno Mair kann sich nicht erinnern, dass das ein Thema in der Schule war. „Wahrscheinlich hat die Lehrerin das Land selbst nicht gekannt“, sagt der 68-jährige Landwirt, der einen Bauernhof iin 800 Meter Höhe am Nörderberg bewirtschaftet. Er lächelt milde, wenn ihm der Reporter erzählt, dass das mal sein Traum war – und dass wohl auch heute noch viele der Südtirol-Touristen den Wunsch haben, ihrem Alltag zu entfliehen und mit ein paar Kühen, Schweinen und Hühnern fernab von Amerika und ihrer Welt das Leben ohne WLAN und ohne WhatsApp-Anrufe zu genießen.

Zeno Mair ist heute Morgen um halb fünf in den Stall gegangen. Wie jeden Tag. Sieben Mal in der Woche. Melken, füttern, ausmisten. In der Frühe. Und am Abend. Dazwischen kümmert er sich um die Wiesen, um das Gemüse, das in der steilen Hanglage wächst. Selbst Naturns, das er oben beim Mähen unten im Tal erblickt, ist für ihn weit weg. Ab und zu fährt er runter in die Gemeinde, um Petersilie, Weißkohl, Kohlrabi, Blumenkohl und Kartoffeln im Bauernmarkt oder in Hotels wie dem Lindenhof zu verkaufen. Viel weiter weg ist er aber bisher nur zwei Mal in seinem Leben gefahren: Einmal war er zwei Tage in Rom, einmal bei seiner Tochter, die jetzt in Meiningen im deutschen Bundesland Thüringen lebt. „Das hat gereicht. Ich muss mich doch um meine Kühe und Kälber kümmern“, sagt der Bauer.

Eigentlich hat er den Hof vor zwei Jahren „an den Jungen“ übergeben. Der Junge heißt Thomas, ist 42 Jahre alt – und damit Besitzer in der siebten Generation. Jeden Morgen und jeden Abend geht er mit dem Vater in den Stall, am Wochenende hilft er ihm bei allen anderen Arbeiten. Dazwischen muss er Geld verdienen, er arbeitet an fünf Tagen acht Stunden in Naturns. „Das ist nicht einfach. Wenn andere zum Feierabend ein Bier trinken gehen, muss er auf seinem Hof arbeiten“, sagt Zeno Mair. Aber: anders sei es nicht möglich. Und, er lächelt mal wieder vielsagend,: „Es geht halt nur, wenn der Vater die Arbeit macht.“

Bei ihm war das nicht anders. Sein Vater hat ihm den Hof 1986 überschrieben, aber auch er ist weiter jeden Morgen um halb fünf aufgestanden und hat bis abends in die Dunkelheit hinein gearbeitet. „Ich war Hilfsarbeiter in Naturns. Und habe in der Tischlerei das Geld verdient“, sagt Zeno Mair. Vor und nach der Arbeit war er dann Landwirt und Hofbesitzer. Er sieht den merkwürdigen Blick des Gegenübers – und ahnt die Gedanken. „Man darf sich nicht fragen, warum man das macht. Denn rein rechnerisch lohnt es sich wirklich nicht.“ Trotzdem hofft er, dass auch die nächste Generation seiner vier Kinder einen findet, der das Erbe zum achten Mal antreten wird. „Es würde mir schon weh tun, wenn keiner wollte. Aber rein gefühlsmäßig setze ich auf meinen Enkel Tobias. Der ist zwar erst zwölf, aber arbeitet heute schon sehr gerne mit.“

Als Zeno Mair zwölf war, hat er natürlich auch geholfen. Wann immer es ging. Aber es waren andere Zeiten. Zur Schule musste er morgens eine halbe Stunde 400 Höhenmeter den Berg hoch wandern. Eine Straße gab es nicht. Weder nach oben, noch nach unten. „Heute sind den Kindern schon die 50 Meter zur Bushaltestelle zu weit und sie fragen mich, ob ich sie fahre.“ Zurück kam der kleine Zeno gegen 16 Uhr, rechtzeitig, um Vater und Mutter noch helfen zu können. Was hätte er auch anders tun sollen?

Es gab keinen Fernseher, keinen Strom – und viel Arbeit. „Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Selbst die Windeln meiner sieben Geschwister musste meine Mutter von Hand waschen.“ Und es war kalt, bitterkalt am Nörderberg, wo der Schnee sogar bis ins Tal fiel. „Mein Vater musste Löcher in den Schnee graben, damit wir überhaupt raus und mit unseren billigen Schuhen zur Schule konnten. Das war schon anstrengend.“

Anstrengend ist es für ihn auch heute wieder. „Ich muss manchmal schon schnaufen“, sagt er. Zeno Mair hat eine Herzoperation hinter sich. Eine Woche Krankenhaus. Die drei Wochen Kur hat er den Ärzten ausgeredet. „Die Kur mache ich bei mir. In der Natur. Am Nörderberg. Während der Arbeit.“ Er lächelt mal wieder. So, wie er bei dem Bauernhof-Traum der Touristen gelächelt hat. „Was glauben Sie denn, was aus dieser schönen Natur werden würde, wenn es uns Bauern nicht gäbe“, sagt er – und wie er es sagt, ist es eine Begründung dafür, dass er so viel arbeitet, ohne an den persönlichen Profit zu denken. Und dass er keine Zeit dafür hat, im Fernsehen Nachrichten zu schauen, wer gerade in Amerika oder sonstwo auf dieser Welt wieder eine Sau durchs Land jagt. „Mir ist die Ruhe und die Natur sehr viel wert“, sagt er – und erzählt, dass er hier oben weniger Menschen treffe als zum Beispiel bei einer Kur. Der nächste Nachbar, erzählt der 68-Jährige, wohne gut einen Kilometer entfernt. „Wenn ich die Töchter von ihm in Naturns sehen würde, würde ich sie wahrscheinlich nicht mal erkennen.“

Unten in Naturns kennt jeder jeden. Und redet mit und über den anderen. „Wenn es nach den Leuten geht, hätte ich wahrscheinlich schon zwanzig Kinder. So oft haben sie erzählt, ich sei schwanger“, sagt Monika Unterthurner.

Die Frau leitet seit zwölf Jahren einen Supermarkt mit hochwertigen Lebensmitteln in der Hauptstraße 22. Mittendrin – statt nur dabei. Sie ist hier geboren, in dem Haus aufgewachsen, das seit 90 Jahren ihrer Familie gehört; ihre Freundinnen, ihre Verwandten sind Naturnser. Und ihre Kunden und Kundinnen natürlich auch. Manche, erzählt sie, kaufen 100 Gramm Salami und stehen eine Stunde lang im Laden. Weil sie sich mit den anderen unterhalten wollen. Eine ältere Frau ist mal nur deshalb gekommen, damit eine Verkäuferin ihr die Telefonnummer des Augenarztes sucht.

Naturns hat inzwischen knapp 6.000 Einwohner und über 2.000 Gästebetten. Viele Menschen sind aus den Tälern zugezogen, weil es hier Industrie und Arbeitsmöglichkeiten gibt. Und doch ist die Stadt ein Dorf geblieben. „Eigentlich ist ganz Südtirol ein Dorf“, sagt Monika Unterthurner, der das – trotz des Klatsches über eine unverheiratete Frau – gut gefällt. „Es ist kein Problem, wenn du mal den Geldbeutel vergessen hast. Dann zahlst du halt das nächste Mal“, sagt sie. Oder: „Selbst bei Wahlen kannst du ohne Personalausweis dein Kreuzchen machen.“ Und: „Egal, wo du hier hingehst. Du wirst immer einen treffen, mit dem du dich gerne unterhalten willst.“

Monika Unterthurner sitzt ganz oben auf der Dachterrasse in dem Haus, in dem die Eltern leben und die Geschwister. Der dritte Stock ist ihr Reich. Wenn sie nach vorne blickt, sieht sie den Nörderberg mit der Hochwart, wenn sie sich umdreht den Sonnenberg mit der Kirchbachspitze. Links von ihr schaut sie durchs Vinschgau bis zur Laaser Spitze, rechts bis zu den Bergen hinter Meran. Oft sind hier in ihrem Liegestuhl die Gedanken bei ihrem Freund, der auf Sizilien lebt. Aber weg von hier? „Ich weiß, dass es anderswo auch schön ist. Aber so schön wie hier…“ Sie lacht. „Es ist meine Heimat. Sie gehört zu mir. Und ich zu ihr.“

Als sie Betriebswirtschaft in Innsbruck studiert hat, ist sie jeden Freitag zurück nach Naturns gefahren. „Natürlich hat mir meine Familie gefehlt. Das gemeinsame Essen, jeden Mittag, jeden Abend, mit mindestens sechs Personen am Tisch. Aber auch…“ Sie überlegt. „…aber auch alles andere.“ Das habe schon Montagmorgens bei der Fahrt zurück in die Uni angefangen. „Kaum war ich über den Brenner, hingen die Wolken doch schon wieder ganz unten.“

Naturns hat angeblich 315 Sonnentage im Jahr – und meist kühlere Nächte. Mit ein Grund dafür, dass hier die Trauben für hervorragende Weine wachsen, ist Monika Unterthurner überzeugt. Und sie muss es wissen. Sie ist gelernte Weinakademikerin und war lange Zeit Präsidentin der Naturnser Rieslingtage. „Wir haben hier nicht nur die bekannten Weinanbaugebiete Juval und Falkenstein, wir haben eine ganze Menge Bauern, die hervorragenden Wein nur für ihren Privatbedarf erzeugen.“ Sie selbst hat dadurch mit 17 ihre Leidenschaft für den Wein entdeckt – bei einer Veranstaltung der Bauernjugend. „Einmal im Jahr bringen die Bauern ihren privaten Wein mit – und lassen andere probieren.“

Dass Touristen den Wein von Juval und Falkenstein genießen und gerne mit nach Hause nehmen, freut die Weinpäpstin besonders. Überhaupt ist sie glücklich über die vielen Urlauber in Naturns. „Man erkennt sie zwar sofort, aber es ist immer schön, andere Gesichter zu sehen“, sagt sie und erzählt, dass auch die Unterthurners in den 50er Jahren neben dem damals kleinen Lebensmittelladen auf Tourismus gesetzt haben. Die Oma hatte die Zeichen der Zeit erkannt und eigenhändig ein Plakat geschrieben und an die Türe gehängt. „Zimmer mit fließend Wasser frei.“

Heute ist keines mehr frei. Weil auch Monika Unterthurners Geschwister ihr Reich in der Hauptstraße 22 behalten wollen. Für immer. Egal, wo sie gerade leben. Sogar aus Kanada kommt ihre Schwester oft gerne zurück. „Naturns ganz zu verlassen, kann sich keiner von uns vorstellen“, sagt die Geschäftsfrau. So wird wohl auch sie weiterhin für die Strecke Verona – Palermo gleich den Rückflug mit buchen. Und ihr Auto Richtung Naturns auf den Flughafenparkplatz stellen. Soll der Sizilianer doch nach Naturns ziehen…

Auch Hubert Tappeiner kann sich an die Anfänge des Tourismus in Naturns gut erinnern. „Meine Tante hat das Ehebett vermietet und ist mit ihrem Mann in der Ferienzeit in den Keller gezogen.“ Damals gab es noch keine großen Hotels mit 60 oder mehr Betten, mit Dreiviertel-Pension, mit eigenen Schwimmbädern. „Damals waren die Touristen noch mitten unter uns“, sagt der 66-Jährige. „Heute sieht man sie ja kaum noch im Dorf.“

Der Mann muss es wissen. Er ist viel unterwegs in Naturns, hilft dem einen oder anderen Landwirt bei der Apfelernte, unterstützt Hilfsbedürftige, hat Freunde in allen Schichten – und ist so was wie die gute Seele im Ort. „Der Tschubi hat für alle ein offenes Ohr“, sagt auch Monika Unterthurner über den Rentner. Und eigentlich sagen das alle. Und alle sagen Tschubi. Wenn er sich zum Bürgermeister aufstellen lassen würde, könnte man wohl auf eine geheime Wahl verzichten.

Hubert Tappeiner ist stadtbekannt. Das liegt an seiner freundlichen Art, das liegt aber sicher auch an seiner Vergangenheit. Lange Jahre war er Abteilungsleiter Fußball beim SSV Naturns – und mit ihm ist der Klub vier Mal hintereinander aufgestiegen und Pokalsieger in Südtirol-Trentino geworden. „Sie müssen wissen: Naturns ist eine fußballbegeisterte Stadt“, sagt er und erzählt von den Tagen nach den Spielen. Praktisch jeder, der ihm begegnet ist, hat ihn angesprochen. „Warum hat xy nicht gespielt?“ „Warum hat der Trainer yx ausgewechselt?“ „Warum habt ihr nicht schneller auf Angriff umgeschaltet?“ „Warum habt ihr die Defensive so vernachlässigt?“

Tschubi hat sich für jeden Zeit genommen, sich mit allen unterhalten. Und mit allen auseinandergesetzt. Er hat allen alles erklärt. Weil er den Fußball liebt. Den SSV Naturns. Und weil er wollte, dass sich alle mit dem Heimatverein identifizieren. „Ich habe ein Jahr in Schlanders gespielt. Es hat mir das Herz gebrochen, und es war die schlimmste Zeit in meinem Leben“, sagt der 66-Jährige, der in Naturns geboren und aufgewachsen ist. Und bis heute hier lebt. „Damals hatte der SSV Naturns einen italienischen Trainer, der mich nicht mochte. Und ich mochte ihn nicht.“

Vermutlich war dieser Italiener ein Einzelexemplar. Hubert Tappeiner erzählt von seiner Arbeit. Und wie schwer es ihm die Kollegen gemacht haben, vor drei Jahren in Rente zu gehen. Sie wollten ihn nicht gehen lassen. 44 Jahre lang hat er bei Ivoclar Vivadent gearbeitet, war bei diesem weltweit führenden Konzern in Sachen Zahnmedizin für den Service in ganz Italien verantwortlich, hielt Schulungen in Mailand und Rom. Aber nie kam ihm der Gedanke, in einer dieser größeren Städte zu bleiben. „Keine Sekunde habe ich daran gedacht, von Naturns wegzugehen. Ich hatte und habe hier doch alles, was ich brauche“, sagt er. Er zeigt Fotos aus den 60er Jahren. Vom Schwimmbad, vom Kino, von den Einkaufsmöglichkeiten. Von Ausflügen auf die Almen in der Gegend. Und von einem Auto. „Das haben sie mir in Mailand geklaut“, sagt der Naturnser. Trotzdem ist er Milan-Fan geblieben. Einmal AC Mailand, immer AC Mailand.

Das gilt auch für Naturns. Einmal Naturns. Immer Naturns. Das Leben hat sich trotzdem für Hubert Tappeiner geändert. Die Ärzte haben bei ihm einen bösartigen Tumor am Mageneingang festgestellt. Seit Monaten fährt er zur Chemo ins Krankenhaus nach Meran. Jammern wird er deshalb nicht. Im Gegenteil: er hilft weiter den anderen in seiner Heimat. Und geht auch nach wie vor zum Kartenspielen. Zum Watten. Das habe er einmal sogar mit dem ehemaligen Bayern- Nationalstürmer Gerd Müller gespielt, der hier Urlaub gemacht und den Anstoß bei einem Jubiläumsspiel ausgeführt hat. „Der konnte wirklich Watten“, sagt Tschubi und strahlt. Er selbst wattet in diesen für ihn schwierigen Zeiten, um anderen zu helfen. Der kleine Benefizverein, den er gegründet hat, kann jedes Jahr dank der Spielschulden der Teilnehmer rund 7.000 Euro spenden.

Sabrina Kind schaut verzweifelt auf die Uhr. Die U4 ist ihr
in Wien-Heiligenstadt quasi vor der Nase weggefahren. Jetzt muss sie warten, bis die nächste U-Bahn in ihre Richtung kommt. In vier Minuten. „Dass ich in Wien angekommen bin, zeigt, dass ich mich darüber ärgere. In Naturns fährt jede Stunde mal ein Zug, wenn man Glück hat“, sagt Sabrina Kind und schüttelt über sich selbst den Kopf.

Die 19-jährige Frau aus Südtirol studiert seit ein paar Monaten an der Modul-University in Wien Wirtschaft auf Bachelor. Mit dem Schwerpunkt Tourismus und Hotelmanagement. „Man gewöhnt sich schnell an eine neue Stadt“, sagt Sabrina, die fast 19 Jahre ihres Lebens in Naturns verbracht hat. Ihrem Vater gehört die Flaschnerei Kind, sie kennt schon durch den großen Kundenkreis fast jeden in ihrer Heimat. Hier hat sie die Grund- und Mittelschule besucht, zur Oberschule und Fachoberschule für Tourismus musste sie jeden Morgen nach Meran. Ihr Praktikum absolvierte sie an der Rezeption im Lindenhof Lifestyle DolceVita Resort. Natürlich wieder in Naturns. Jetzt hat sie Großes vor. Und dafür ist Naturns zu klein.

„Ich finde schon, dass man die Welt kennenlernen sollte. Auch wenn man in Südtirol geboren und aufgewachsen ist“, sagt die junge Frau, die sich zum Beispiel bewusst gegen die Uni in Innsbruck entschieden hat. Sie kennt nur Freunde oder Freundinnen, die von dort jedes Wochenende wieder nach Hause fahren. „Das ist kein neues Leben“, sagt Sabrina. Seit sie in Wien ist, ist sie noch kein einziges Mal nach Naturns zurückgekehrt. Auch wegen Corona, gibt sie zu. Und sie gibt zu, dass sie ein bisschen Heimweh hat. Aber da muss sie durch – bei ihren Plänen. Nach dem Bachelor-Studium, bei dem übrigens alle Vorlesungen in englisch gehalten werden, will sie auf Kreuzfahrt gehen, mit einem Luxusliner. „Da sieht man viel und lernt am meisten.“ Schließlich hat sie ein Ziel: „Ich möchte schon mal einen höheren Posten im Management einer großen Hotelkette. Und irgendwann mal Hoteldirektorin sein.“

Den Gedanken hatte sie spätestens seit der Mittelschulzeit in Naturns. Der Lehrer glaubte, das Talent erkannt zu haben: perfekt in der Organisation und im Umgang mit Zahlen, freundlich und redegewandt gegenüber den Mitmenschen. „Natürlich habe ich auch gesehen, dass man in einer Stadt wie Naturns mit Tourismus sehr gut leben und sein Geld verdienen kann“, sagt die Tochter des Flaschnermeisters, den sie hier Spengler nennen. Sie beobachtete die Touristen, sie redete mit „Hotelkindern“ wie Chiara oder Emma Nischler vom Lindenhof – und sie fühlte immer mehr, dass dieser Beruf ihre Berufung sein könnte. „Dafür zu sorgen, dass andere Menschen glücklich sind und einen schönen Urlaub haben, ist doch was Tolles“, sagt Sabrina Kind.

In Südtirol, da ist sie sich sicher, ist das kein Problem. Weil es alles gibt, was man zu einem schönen Urlaub braucht: Das italienische Ambiente mit der entsprechenden Kulinarik, Berge, Seen, Palmen und Sonne. Und quasi alle Sportarten – auch wenn sie für sich erst mal eine „importieren“ musste: das Einradfahren. „Nachdem wir das im Zirkus in Lana gesehen hatten, haben wir hier in Naturns einen Verein gegründet“, sagt Sabrina, die so geschickt und talentiert auf dem besonderen Sportgerät war, dass sie gleich zwei Mal italienische Meisterin geworden ist. Auf den Einwand, dass das ja nicht gerade der richtige Sport in einer Stadt wie Naturns mit Bergen rechts und Bergen links sei, lacht sie nur, redet was von Mountain Unicycle. Und schickt per SMS die Zeichnung einer Strecke in ihrer Heimat, auf der mit dem Einrad Meisterschaften stattgefunden haben. Der Start ist am Nörderberg auf 658 Höhenmeter oberhalb von Tabland, es geht runter auf die Gsindböden, hoch auf 942 Höhenmeter und schließlich nach 15 Kilometern den Ötzi-Teil der Downhillstrecke für Mountainbiker bergab an den Waldrand nach Naturns. Auf einem großen Rad. „Das nennt man CrossCountry“, sagt die Meisterin.

Jetzt ist Sabrina Kind mit der U-Bahn unterwegs. Weit ab von den Gsindböden und der Downhillstrecke. Ob sie wieder auf das Einrad steigen wird, weiß sie nicht. Sie ist schon längere Zeit verletzt. Sicher aber wird sie wieder zurückkommen. Nach Naturns. In ihre Heimat. „Ich mache das alles doch nicht nur, um die Welt zu sehen. Ich mache das vor allem, weil ich meine Zukunft im Tourismus sehe. Und natürlich in Südtirol. Mit der besten Ausbildung und den entsprechenden Erfahrungen“, sagt sie. Bis dahin fahren vielleicht sogar in Naturns die Züge im 10-Minuten-Takt…

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