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11. August 2022

Die Hoteliersfamilie Nischler in Naturns hat das Problem schon frühzeitig erkannt. „Künftig müssen wir um Mitarbeiter*innen genauso werben wie um Gäste“, sagte der Hotelchef Joachim Nischler schon vor zwei Jahren und holte Coaching-Experten der hgc Innsbruck ins Haus. Das Ergebnis: System Cert, eine akkreditierte Zertifizierungstelle in Österreich, hat das Lindenhof Pure Luxury & Spa DolceVita Resort jetzt als ersten Betrieb Südtirols als „ausgezeichneter Arbeitsplatz im Tourismus“ zertifiziert.

Ein ausgezeichneter Arbeitsplatz – eine Anerkennung für den Lindenhof

Seit der Corona-Krise ist es nicht nur in Südtirol offenkundig: Dem Hotel- und Gaststättengewerbe, und nicht nur ihm, fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. 1000e Stellen sind unbesetzt, Gaststätten verringern die Öffnungszeiten, Hoteliers suchen verzweifelt nach Quereinsteigern. „Das Problem sehen wir seit langem, Corona hat es nur verstärkt“, sagt Joachim Nischler (53), der in diesem Jahr den 50. Geburtstag des Lindenhof-Hotels feiert.

1972 hatte sein Vater eine kleine Pension als Familienbetrieb eröffnet, heute braucht er rund 80 Mitarbeiter*innen in seinem Pure Luxury & Spa DolceVita Resort. „Durch den Zusammenschluss mit dem Preidlhof und Feldhof (beide in Naturns), dem Jagdhof (in Latsch) und dem Alpiana (in Lana) zu den DolceVita-Hotels konnten wir alle unseren Mitarbeiter*innen immer mehr bieten als andere. Und trotzdem war klar: durch andere Lebenseinstellungen der nachkommenden Generationen mussten auch wir uns im Kampf um die besten Mitarbeiter*innen weiterentwickeln“, sagt Nischler. Gerade seine Töchter Chiara (28) und Emma (26) wissen, dass junge Menschen Perspektiven bei der Berufswahl brauchen und dass es ihnen nicht nur um Geld und Arbeitszeiten geht. „Sie wollen sich einbringen, mitgestalten – und das kann den Hoteliers nur nützen“, sagt Emma Nischler. Das bedeutet aber auch:  „Wir brauchen weiterhin die besten Mitarbeiter*innen. Weil sie entscheidend sind, ob sich unsere Gäste im Lindenhof wohl fühlen“, sagt Chiara Nischler.

Der Vorsatz ist löblich. Nur: wie schafft man das?

Es ist ein ganzheitlicher Prozess, den der Hotel- und Gaststättenverband Südtirol in Kooperation mit der hgc Innsbruck (Hotellerie & Gastronomie Consulting GmbH) anbietet. In Workshops werden Vision und Mission des Hotels herausgearbeitet, die Philosophie klar des Hotels herausgearbeitet, die Philosophie klar definiert, Mitarbeiter*innen befragt und geschult, Strukturen verbessert und Teamleiter*innen in Sachen Leadership gestärkt. „Man muss sich immer wieder neu aufstellen. Weil sich nicht nur die Zeiten ändern, sondern auch die Menschen“, sagt Leo Daniel, der in Zusammenarbeit mit hgc das Lindenhof-Team und die Eigner-Familie betreut. Gemeinsam mit Dr. Maria Hechenbichler, Leiterin der Abteilung Unternehmensentwicklung & Coaching bei hgc, ist Daniel vor eineinhalb Jahren im Lindenhof gestartet. Mit der Formulierung des Leitbilds haben sie die Grundlage für die weiteren Schritte geschaffen. Fehlendes wurde neu kreiert, bereits Vorhandenes neu gestaltet. Das Augenmerk ist dabei immer darauf gerichtet, Mitarbeiter*innen neu zu befähigen und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie arbeiten können. „Wir wollen die Mitarbeiter*innen bewegen, neu zu denken. Denn vieles wird im Laufe der Jahre Routine. Und das sollte nicht sein“, sagt Leo Daniel.

Weiterbildungen dieser Art nutzen nicht nur dem Unternehmen, sondern auch den Mitarbeiter*innen selbst. Zufriedenheitsstudien zeigen, dass es im Wesentlichen sieben Punkte gibt, die das „Wohlfühlen“ der Teammitglieder maßgeblich beeinflussen. Darunter finden sich Themen wie Unternehmensführung, Arbeitsklima, Wertschätzung und Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Natürlich spielt auch die Gehaltsfrage eine Rolle, wenn auch nicht unbedingt die wichtigste.

„Bei einem Betrieb, dem das Gütesiegel ausgezeichneter Arbeitsplatz im Tourismus verliehen wurde, sehen potentielle Arbeitnehmer*innen sofort: Hier stimmt alles“, sagt Uwe Hackl von System Cert, der im Lindenhof das Audit im Rahmen der Zertifizierung durchgeführt hat. Jetzt wurde offiziell das Gütesiegel „ausgezeichneter Arbeitsplatz im Tourismus“ in Silber an die Familie Nischler und den Lindenhof überreicht.

Dass sein Hotel das bislang einzige in Südtirol mit dieser Auszeichnung ist, freut den Chef Joachim Nischler ganz besonders. Zumal der Kampf um die qualifiziertesten Kochtalente, Servicekräfte, Rezeptionist*innen, Hausmeister*innen und Mitarbeiter*innen im Housekeeping künftig so funktionieren wird, wie es der Lindenhof-Hotelchef schon vor zwei Jahren angekündigt hatte. „Wir werden um Mitarbeiter*innen genauso werben müssen wie um Gäste.“

Das sieht auch Leo Daniel und das Beraterteam um Dr. Maria Hechenbichler so: Ähnlich wie Gäste werden sich auch Arbeitssuchende künftig zunächst überlegen, in welchem Land und in welcher Gegend sie arbeiten wollen. Danach suchen sie sich im Internet über Plattformen wie Holiday Check und bei Instagram das Hotel ihrer Wahl aus. „Das Gütesiegel „ausgezeichneter Arbeitsplatz im Tourismus“ zeigt ihnen, dass sie in diesem Betrieb beste Arbeitsbedingungen, ein gutes Arbeitsklima und ein hervorragendes Mitarbeiter*innen-Management vorfinden“, sagt Leo Daniel. Die hgc Innsbruck will bald eine eigene Plattform anbieten, auf der sich Hotelmitarbeiter*innen informieren können.

Allerdings ist dafür ein zertifizierter Betrieb in Südtirol noch zu wenig. Auch wenn Joachim Nischler das anders sieht…

 

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