50 Jahre
18. Juni 2022

Am 18. Juni 1972 hat Werner Nischler in Naturns die Pension Lindenhof eröffnet. 50 Jahre später zieht sein Sohn, Hotelchef Joachim Nischler, in einem SUITE Online-Interview Bilanz und blickt in die Zukunft: „Das Hotel wird bleiben. Aber was wird aus mir?“

„Der Name ist Programm: Pure Luxury“

Aus der Pension Lindenhof in Naturns ist das Pure Luxury & Spa Resort mit 80 Zimmern geworden. War dies das Ziel, als Sie mit 27 Jahren das 25-Zimmer-Hotel übernommen haben?

Solche Träume hatte ich nicht mal mit 27. Aber ich hatte Vorstellungen. Ich wollte schon ein Hotel, das nicht nur für Wanderer da ist. Ich habe gesehen, dass Kinder zu uns kommen, für die wir wenig zu bieten hatten. Ich habe gesehen, dass Wanderer oder später auch Radfahrer nach ihren Touren Regeneration brauchten – also Saunen, Massagen, vielleicht mehr als ein Schwimmbad. Und ich habe gesehen, wie wichtig eine gute Küche für alle unsere Gäste war. Oder ist, muss ich sagen.

 

Sie wollten unter einem Dach mehr bieten als nur Zimmer mit Dusche und reichhaltigem Essen.

 

Ich wollte alles bieten… Aber es gab nur wenige Hotels in Südtirol, die damals so gebaut waren, dass sie das konnten. Der Quellenhof zum Beispiel. Klar überlegt man dann als Neuling: können wir das auch schaffen? Es war ja mit Vergrößerung verbunden. Und Vergrößerung bedeutet immer die Gefahr, dass das persönliche Ambiente verloren geht. Darauf hat mein Vater immer geachtet – und das ist auch für mich das Wichtigste. Und für meine Töchter. Deshalb bin ich am glücklichsten darüber, dass unsere Stammgäste uns bescheinigen, dass der Lindenhof bei keiner Erweiterung an Herzlichkeit verloren hat.

 

Das heißt: man denkt bei allen Veränderungen zuerst immer an den Stammgast. Will er das? Mag er das nicht?

 

Ich glaube, wir wissen durch persönliche Gespräche und Bewertungsfragebögen schon, was der Stammgast will und was nicht. Und natürlich stellen wir uns darauf ein. Dass jede Veränderung ein Thema ist, kennen wir alle aus den verschiedensten Bereichen des Lebens. Heute kommen zu unserem Jubiläum zum Beispiel altgediente Mitarbeiter. Unser erster Chefkoch Erich Platzgummer, unser erster Restaurantleiter Hermann Raffeiner – und fragen Sie mal deren Nachfolger Andi Pircher bzw. Helmut Stieger, wie viel Skepsis man ihnen im ersten Jahr entgegengebracht hat. Danach waren sie dann die Stars. Das ist menschlich, aber für einen Hotelier in dem Moment schwierig zu handeln.

 

Offensichtlich haben Sie es geschafft. Heute steht hier ein Pure Luxury & Spa DolceVita Resort…

 

… das ist deshalb im Namen, weil es als Bezeichnung zum ersten Mal ins Herz trifft und all das zusammenfasst, wofür der Lindenhof steht: für höchste Ansprüche in Natürlichkeit, Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit. Es steht für Fitness, Wellness, Gesundheit, Kulinarik und Erholung. Der Name ist Programm.

 

… heute steht hier ein Pure Luxury & Spa DolceVita Resort, das von Gästen und Experten gleich nach der Erweiterung zum besten Wellnesshotel Europas gewählt worden ist.

 

Das war Wahnsinn und hat uns alle auch sehr stolz gemacht. Auch weil wir Wellness ganzheitlich sehen. Wellness ist nicht nur Sauna oder Spa, zu Wellness gehören Kulinarik, Bewegung. Wellness ist für jung und alt – und vor allem: Wellness kann man das ganze Jahr über anbieten. Mein Vater hatte die Pension zum Beispiel nur von Ostern bis Ende Oktober geöffnet.

 

Wellness soll ja auch der Gesundheit dienen.

 

Wellness dient der Gesundheit. Obwohl wir aus dem Lindenhof nie ein Gesundheitszentrum mit plastischen Chirurgen machen werden, wollen wir, dass unsere Gäste körperlich und seelisch fit wieder abreisen. Dafür haben wir jetzt auch eine Life-Balance-Expertin mit Astrid Fleischmann. Und dafür haben wir pünktlich zu unserem 50-Jahr-Bestehen Thermalwasser im Hotel – zum Trinken, für Beauty-Behandlungen, in den Pools, im Kneipp-Garten. Kaiserin Sissi hat das mal „Badl“ genannt, was in Naturns entdeckt wurde – nämlich eine artesische Quelle. Und von der haben wir Leitungen ins Hotel verlegen lassen.

 

Eine artesische Quelle bringt uns Gesundheit…

 

… gesunde Knochen, gesundes Herz, gesunden Kreislauf. Ja. Auf jeden Fall. Das ist ein Wasservorkommen, das sich in vielen Jahrhunderten bei uns in Naturns unten auf 200 Meter angesammelt und sich infolge des Überdrucks jetzt einen Weg auf 500 Meter Höhe gesucht hat. Deshalb ist es auch noch gesünder als viele andere Thermalwasser.

 

Als Ihr Vater vor 50 Jahren die Pension gebaut hat, schlummerte das gesunde Wasser noch. Trotzdem war es wohl die richtige Entscheidung, um in den Tourismus zu investieren?

 

Absolut. Ob ich diesen Weitblick gehabt hätte, weiß ich nicht. Aber er hatte mit Hanni Alfons einen Freund, der ein Reisebüro leitete und die Trends kommen sah. Und für ihn chauffierte mein Vater auch schon mal Urlauber im Bus durch die Dolomiten. Da erkannte er wohl seine Liebe zu Touristen.

 

Der Tourismus hat in Südtirol schnell geboomt – muss man in Vergangenheit und Gegenwart reden oder boomt Tourismus auch noch, wenn Ihre Töchter mal für Ihre Familien sorgen müssen.

 

Der Tourismus wird in Südtirol bleiben, auch wenn wir nicht noch mehr für Urlauber tun können als jetzt schon. Wir werden sicher keinen Parkplatz auf die Kirchbachspitze bauen. Im Gegenteil: wir werden das Schienennetz stärken müssen, um den Verkehr einzudämmen. Radwege haben wir ohnehin die schönsten hier. Wir sollten nicht weiter auf freien Wiesen Hotels bauen, sondern mit der jetzigen Bettenzahl zufrieden sein. Denn: der Kunde ist es auch.

 

Machen Sie sich nicht manchmal Gedanken, was wäre wenn… Zum Beispiel in der Corona-Zeit?

 

Wissen Sie, was uns in der Corona-Zeit wirklich am meisten zugesetzt hat? Dass wir nicht mit Gästen reden konnten, dass wir uns um niemanden kümmern durften. Unsere Passion ist es, Menschen glücklich zu machen, zu umsorgen, zu verwöhnen, mit ihnen zu reden, von ihnen was zu erfahren. Es waren aber keine Menschen im Hotel. Da ist uns allen, also meinen Töchtern und mir, bewusst geworden, wie sehr wir am Lindenhof und seinen Gästen hängen.

 

Worauf müssen sich Chiara und Emma einstellen? In Ihrer Zeit sind die Ansprüche der Gäste gestiegen sowohl an Komfort als auch an die Küche, es gab den Trend zu mehr Kurzurlaub, der 14-Tage-Urlauber gehörte der Vergangenheit an. Wohin geht die Reise jetzt?

 

Wir werden um Mitarbeiter*innen genauso werben müssen wie um Gäste. Dieser Trend wird sich nach Corona verstärkt fortsetzen. Und nur wer die besten Mitarbeiter*innen  bekommt, wird sich im Sterne-Tourismus behaupten. Das wusste ich schon, meine Töchter spürten es von Anfang an und steuern schon lange dagegen. Und zwar so gut, dass wir jetzt als erster Betrieb Südtirols als „ausgezeichneter Arbeitgeber“ zertifiziert worden sind.

 

An einem Tag wie heute wird man wahrscheinlich auch mal sentimental und denkt zurück. Was sind die Bilder, die Sie im Kopf abgespeichert haben?

 

Sie glauben jetzt, es sind die großen Umbauten. Falsch. Es sind nur Menschen. Gäste zum Beispiel, die uns schon so viel gegeben haben. Und damit meine ich ausnahmsweise mal nicht Geld. Ich denke an die menschlichen Werte. Ich denke an Gäste, die in drei Generationen bereits Urlaub im Lindenhof machen. Und ich denke an Mitarbeiter. Da gibt es so viele persönliche Geschichten, die wir uns heute Abend sicher erzählen werden, wenn alle zusammen sind.

 

Im Sport gibt’s ja so eine Regel, dass man mit dem Erreichten nie zufrieden sein darf, man muss immer mehr wollen. Sie können heute auf Ihr Werk auch stolz sein. Und Sie können zufrieden sein. Oder denken Sie eher: wie geht’s jetzt die nächsten 50 Jahre weiter?

 

Wie geht’s mit mir die nächsten Jahre weiter, ja. Welche Position werde ich mit 60 oder 70 im Lindenhof haben? Und werde ich dann neben meinem Vater an dem Stammtisch am Eingang zu den Speisesälen sitzen und den Gästen einen „guten Morgen“ wünschen? Mein Vater mit der Zeitung in der Hand und ich mit dem Laptop? Der Lindenhof wird bleiben und mit Chiara und Emma in den besten Händen sein. Nur was mit mir wird, weiß ich nicht. Das sind ja jetzt schon Nachrufe, die mein noch älterer Lindenhof-Schreiberling zum 50-Jahr-Jubiläum über mich veröffentlicht…

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