Kulinarik
09. Mai 2017

Südtirol schmecken – 3. Vinschger Paarlen

44 Jahre lang ist er bis auf den Samstag um 18 Uhr aufgestanden, hat den Vorteig angerichtet, ist danach als treues Mitglied zu einem der vielen Naturnser Vereine gegangen – und von dort um 23 Uhr zurück in die Backstube. Fritz Baumgärtner, der Onkel von Lindenhof-Hotelchef Joachim Nischler, war Bäcker mit Leib und Seele, nicht nur, weil Großvater und Vater es schon waren. “Ich wollte nichts von Maschinen wissen, ich habe alles von Hand gemacht – und das hat Zeit gekostet”, sagt der heute 77-Jährige, der jetzt seinen Kindern bei der Obsternte hilft und seinen Betrieb in der Hauptstraße an die Bäckerei Psenner verpachtet hat.

Gibt es eigentlich die echten Paarlen nur im Vinschgau, Herr Baumgärtner?

“Ich war neulich ein paar Tage im Allgäu – und in Isny stand an einer Bäckerei: ,Vinschger Paarlen”. Die habe ich gekauft, probiert und danach der Verkäuferin gesagt: ,Das nächste Mal bringe ich Ihnen die echten Paarlen aus Naturns – dann wissen Sie, wie die schmecken müssen.´

Dieses Dunkelbrot aus 60 Prozent Roggen und 40 Prozent Weizen haben zum ersten Mal die Mönche im Kloster Marienberg hergestellt – und schon sie haben damals Mehl aus dem Vinschgau dazu verwendet. Das waren nicht die Brötchen von heute, das war richtiges Brot, das man lange aufbewahren konnte. Viele hatten dafür ein eigenes Holzgestell, das es auch heute noch dafür gibt. Mit so einer Art Messer am Holzgestell ist das harte Brot direkt abgeschnitten und in die Suppe gegeben worden.

Ich hab als erster Bäcker 1965 kleine Vinschger Paarlen gemacht, natürlich nur mit Südtiroler Produkten. Man braucht ja nicht viel: Vorteig, Salz, Hefe, Wasser. Und ich hab noch ein wildwachsendes Kraut vom Bauern gekauft, es in der eigenen kleinen Mühle gemahlen und dazu gemischt. Das machen meine Kollegen heute noch. Es gibt den Vinschger Paarlen einen unverwechselbaren Geschmack.

Damals habe ich 30 Stück am Tag verkauft, in den neunziger Jahren mussten wir nachts für die Samstage 10.000 backen. Da haben einem anschließend die Finger weh getan, weil wir ja noch von Hand gleichmäßig die beiden Stücke geformt haben. Das hat auch viel Zeit gekostet, weil ich es ganz bewusst langsam gären lassen habe. Die Vereinigung Slow Food hat damals die Vinschger Paarlen als erstes Qualitätsprodukt aus Südtirol in den “Kreis der geförderten Lebensmittel” aufgenommen.

10.000 Stück. Das muss man sich mal vorstellen. Die Einheimischen wollten diese Vinschger Paarlen, die Touristen deckten sich für zu Hause ein. Schließlich hat das Paarlen den Vorteil, dass man es lange aufbewahren kann. Nicht in einer Dose, es braucht schon Luft. Aber dann hält es lange – und schmeckt auch noch, wenn es hart ist. Ich schneide es mir nach Wochen in ganz dünne Scheiben und esse es abends wie andere Chips.

Aber ganz ehrlich: ich bin froh, dass ich die Vinschger Paarlen nicht mehr selber machen muss…”

Hier die weiteren Artikel der Serie „Südtirol schmecken“

1. DER APFEL

2. DER WEIN

4. DER SPECK

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