Kulinarik
20. August 2020

Andreas Pircher hat sich in jungen Jahren immer an das Motto gehalten: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.“ Heute ist der Bauernsohn aus Plaus Chef- und Gourmetkoch im Lindenhof Lifestyle DolceVita Resort und verzückt die anspruchsvollen Gäste immer wieder mit neuen Kreationen – und vor allem mit Produkten aus seiner Heimat.

Der Südtiroler

Einmal im Jahr steht der Gourmetkoch in der Küche des elterlichen Bauernhofs. Und kocht für die ganze Familie. Für den 80-jährigen Vater, die 71-jährige Mutter, für seine zwei Brüder mit Frauen und Kinder, für seine Ehefrau und die drei Buben. „Da kannst du nicht mit Jakobsmuscheln oder Garnelen kommen. Das essen die alle nicht“, sagt Andreas Pircher und lacht. Das höchste der Gefühle sei ein Kalbsbraten, am liebsten aber würden sie alle den Riebel essen, den nur die Mutter perfekt kann: „Mit Kartoffeln, Mehl, Eier und vor allem viel Butter.“

Es ist die andere Welt des Andreas Pircher, den alle nur Andi nennen. In der Gourmetküche des Lindenhof Lifestyle DolceVita Resorts in Naturns fühlt er sich wohl, aber glücklich ist er vier Kilometer weiter weg in Plaus. Den Bauernhof hier mit den sechs Hektar führt inzwischen sein älterer Bruder, er selbst hat gebaut, nicht weit weg davon. Auf einem Grundstück, auf dem früher seine Großmutter gelebt hat. Daneben wohnt sein Onkel, auf der anderen Seite ein Bruder. „Bodenständig“, ist das Wort, das bei ihm am häufigsten fällt. Er ist „bodenständig“ aufgewachsen, seine Kinder will er „bodenständig“ erziehen. Ja. Ein Südtiroler sei nun mal „bodenständig“.

Andi Pircher sagt, er sei ein typischer Südtiroler. Einer, der die Heimat liebt, die Natur, die Menschen hier. Der ehrlich ist. Und am liebsten nur das isst, was um ihn herum wächst und gedeiht. „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“, sagt der 43-Jährige. Selbst er, der heute zu den kreativsten Spitzenköchen in Südtirol zählt, hat bis zu seinem 16. Lebensjahr keinen Fisch gegessen, so gut wie kein Fleisch. „Bei uns gab es nur einfache Gerichte. Kartoffeln und Gemüse, alles, was wir selbst geerntet haben. Und ich wollte auch nichts anderes probieren.“ Raphael, 10, Josef, 9, und Michael, 4, geht es heute ähnlich wie dem Vater früher. Nur mit einem Unterschied: „Schnitzel und Pommes darf es bei ihnen schon sein…“

Also kocht einer der besten Köche Südtirols sonntags zu Hause Schnitzel mit Pommes. Oder Knödel mit Gemüse. Denn auch an seinem freien Tag steht er in der Küche. „Aus zwei Gründen“, sagt er und lacht. „Erstens geht es bei mir schneller. Und zweitens möchte ich auch meine Frau Sylvia entlasten.“ Als Vollzeitmama in Plaus und Teilzeitlehrerin in Naturns ist sie genügend gestresst. „Wenn ich um elf von der Arbeit nach Hause komme, steht sie oft noch am Bügelbrett.“ Und lieber hilft der Ehemann beim Kochen. Als beim Bügeln.

Kochen hat Andi Pircher im Rössl in Rabland gelernt. Die einfachen Dinge. Schnitzel mit Pommes zum Beispiel. „Ich wusste mit 14 überhaupt nicht, was ich werden will. Also hat mich mein Onkel in die Küche seines Restaurants geholt.“ Dass Lehrjahre damals keine Herrenjahre waren, erzählen die Alten heute noch gerne den Jungen, aber: Lehrjahre in einer Küche hatten einen besonderen Horror. „Wahrscheinlich wurde nirgends so viel gebrüllt wie in einer Küche während der Essenszeiten. Und am meisten hat man halt den Lehrling angebrüllt“, erinnert sich Andi Pircher, der heute eher ein ruhiges Regiment bei seinen 14 Köchen führt. Aber sich trotzdem manchmal aufregt, weil die Jungen es doch in dem Moment zu langsam angehen lassen, wenn ein Handgriff zum anderen und das Essen auf den Tisch kommen muss. „Ich habe mal einen meiner ersten Chefs gefragt, ob ich denn damals auch so langsam gewesen bin“, erzählt er – und sagt. „Er hat die Antwort verweigert. Da wusste ich Bescheid.“

Andi Pircher setzt dieses spitzbübische Lächeln auf, an dem man auch heute noch sieht, dass er in diesem Moment mit sich und der Welt im Reinen ist. Der Junge vom Bauernhof, der Koch werden musste, brennt inzwischen leidenschaftlich für seinen Job. „Anders würde es nicht gehen“, sagt er – und erinnert sich an die Zeit, die sein Leben wirklich verändert hat. Damals im Sternelokal „La Perla” in Corvara. Er war 17 oder 18 – und begann erstmals das zu essen, was er nicht kannte. Fisch, besonderes Fleisch, Gemüse wie Sprossenkohl oder Brokkoli. Es schmeckte ihm, und er begann damit zu zaubern. Mit immer wieder neuen Zusammenstellungen. „Als ich in den Lindenhof kam, habe ich vom damaligen Chefkoch Erich viel gelernt, weil der auch gerne experimentiert hat“, sagt Andi Pircher. Auch heute lernt er immer noch dazu. Er geht während der Ruhezeiten des Lindenhofs zur Weiterbildung in Diätküchen, er besucht andere Gourmetköche, er will mal ein paar Wochen bei einer italienischen Nonna die traditionelle Nudelherstellung studieren.

Gäste im Lindenhof sehen den Südtiroler Koch nur selten. Er versteckt sich am liebsten in der Küche. Er ist keiner dieser Showköche, der die Öffentlichkeit braucht. Im Gegenteil: er braucht sie nicht. Und dass diese Glanz- und Glitzerwelt seinen Beruf immer mehr vereinnahmt, stört ihn so, dass hin und wieder doch ein alter Wunsch in ihm hochsteigt. „Eigentlich wäre ich gerne Bauer. Wie mein Vater. Wie mein Bruder“, sagt er dann leise und mehr zu sich, wohlwissend, dass auch sein privates Leben dadurch heute ganz anders aussehen würde. Er hat 2005 ein Haus gebaut, er genießt es, seiner Frau und seinen Kindern ein bisschen Luxus bieten zu können. „Es ist mir wichtig, dass ich meinen Jungs neue Fußballstiefel kaufen kann, wenn die alten kaputt sind. Und nicht überlegen muss, wo ich das wieder einspare.“

So hat er vor allem noch einen Traum: einmal die Zeit für einen Garten zu haben, in dem er viel Gemüse anpflanzen würde, wie früher seine Eltern. „Wir haben damals Karotten aus dem Boden geholt, sie abgewaschen und gegessen“, sagt er und die Augen strahlen wieder. „Die Kinder heute wissen doch nicht einmal mehr, wie Karotten wachsen und wo sie herkommen.“

Andi Pircher will es seinen Kindern beibringen. Er will sie zu echten Südtirolern erziehen. Sie sollen natürlich „bodenständig“ und „ehrlich“ bleiben. Wie sich das mit den Fußballprofiträumen von Raphael, der wie sein Bruder beim SSV Naturns spielt, vereinen lässt, weiß der Vater noch nicht. Bei Josef ist er da schon weiter. Denn der hat ein klares Berufsziel: „Ich will Bauer werden“, sagt der Neunjährige – und sein Vater setzt dieses Lächeln auf, das ganz Plaus signalisiert: Bei uns ist die Welt in Ordnung. Wir sind halt Südtiroler.

Rezept

Andi Pircher empfiehlt: Spinatrisotto mit Tartar vom Saibling

 

Zutaten:

  • 280 g Risottoreis (Vialone Nano)
  • 250 g frischer Spinat
  • 150 g Saiblings Filet
  • 50 g Butter
  • 50 g Parmesan
  • 1 kl. Fenchel
  • 1 kl. Zwiebel
  • 1 EL Gemüsebrühe
  • frischer Meerrettich
  • Radieschen
  • weißer Balsamicoessig
  • Zitronenabrieb

 

Zubereitung:

Den Spinat blanchieren, im Eiswasser schocken und ausdrücken. Mit dem Stabmixer pürieren. Zwiebel in Olivenöl andünsten, Reis dazugeben, anziehen lassen. Mit Gemüsebrühe aufgießen (bis der Reis bedeckt ist), 15 Minuten kochen, immer wieder mit Gemüsebrühe aufgießen. Kurz vor Ende der Kochzeit Spinat, Butter und Parmesan dazu geben, kurz aufkochen lassen. Das Saiblingsfilet entgräten, die Haut abziehen und in kleine Würfel schneiden. Mit Salz, Pfeffer, Olivenöl und Zitrone marinieren – genauso wie den gehobelten Fenchel. Bei ihm kommt noch Balsamicoessig dazu. Die Radieschen in feine Scheiben schneiden – und Tartar, Fenchel und Radieschen auf dem Risotto anrichten.

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